TV-Tipps zum Wochenende:Stresstests

Lesezeit: 2 min

Die besten Filme im Fernsehprogramm setzen ihre Helden einem Stresstest aus. Manche bestehen ihn sogar.

Von Stefan Fischer

In den Gängen

Tragikomödie, Das Erste, Nacht zu Montag, 0.05 Uhr

Ein langsamer, ein behutsamer Film von Thomas Stuber, der damit 2018 bei der Berlinale Aufsehen erregt hat. Die Handlung spielt in einem Großmarkt, der eine Welt für sich bildet, die wundersam abgekoppelt von der Realität um sie herum funktioniert. Und es ist ja in der Tat ein Milieu, das den meisten Menschen unbekannt sein dürfte, der Film gewährt einen Blick in einen Maschinenraum der Gesellschaft, in dem aber eben nicht nur Maschinen tätig sind, sondern vor allem Menschen, auch wenn Zuständigkeitsbereiche die Namen ersetzen: Süßwaren und Tiefkühl, Getränke und Feinkost. Alles kleine Reiche in dem großen Gewimmel, jeder König und jede Königin hält das eigene Revier für den Nabel, mit den unabkömmlichsten aller Produkte. So nobel wie die Waren sind die Schauspieler: Sandra Hüller, Franz Rogowski, Peter Kurth ...

Lakeview Terrace

Thriller, Servus TV, Samstag, 20.15 Uhr

Die Dinge sind mitunter komplexer, als sie oftmals dargestellt werden. Auch als Schwarzer kann man ein Rassist sein und der Auffassung, dass bestimmte Entwicklungen eine natürliche Ordnung stören. Samuel L. Jackson spielt einen solchen Typen in Neil LaButes irritierender, jedoch klug beobachteter Gesellschaftsbeschreibung. Ein Polizist, der auch nach Feierabend als Ein-Mann-Bürgerwehr für Ordnung im Viertel sorgt und sich dabei nach einem eigenwilligen moralischen Kompass richtet. Dass der neue Nachbar, ein Weißer, eine Schwarze zur Frau hat, passt ihm nicht - und das lässt er die beiden spüren. Zumal, als seine Kinder das Paar beim Sex beobachten. Liberale und konservative Wertvorstellungen prallen aufeinander. Als Patentrezept erscheint dem Cop, was immer stärker zu beobachten ist, nicht nur in den USA: die Segregation.

Notting Hill

Liebesfilm, RTL, Sonntag, 22.30 Uhr

Was bleibt einem in der Pandemie als das Träumen von einer besseren, glücklicheren Zukunft? Als der Wunsch nach Unbeschwertheit und - besonders kühn gehofft - der Sehnsucht nach dem großen Los? Der Privatsender RTL bedient diese Sehnsucht nach einem anderen, freieren Leben mit zwei Liebesfilm-Krachern. Denn vor der nicht nur herzerwärmenden, sondern dank Rhys Ifans in der Rolle des Mitbewohners des hier sehr mauerblümchenhaften Hugh Grant auch sehr komischen Romanze Notting Hill läuft Pretty Woman (20.15 Uhr). Ein Julia-Roberts-Double-Feature also; im früher gezeigten Film kommt sie von unten und hangelt sich dank eines Mannes nach oben. In Notting Hill ist es gerade andersherum: Da spielt sie einen Star, der die Liebe des Lebens in der Mittelschicht findet. Was die Kerle eint, ist ihr Edelmut. Hach!

Widows - Tödliche Witwen

Thriller, Pro Sieben, Sonntag, 20.15 Uhr

Werden kriminell und ziehen daraus einen großen Gewinn für ihren Selbstwert: Linda und Alice (v. l. Michelle Rodriguez, Elizabeth Debicki). (Foto: Suzanne Tenner/Twentieth Century Fox)

Eine sehr spezielle Emanzipationsgeschichte erzählt der Regisseur Steve McQueen in dem Thriller, der vor drei Jahren in die Kinos gekommen ist: Vier Frauen, alle wirtschaftlich abhängig von ihren Männern, sind plötzlich auf sich gestellt. Denn die Kerle sterben bei einem Raubüberfall - von diesen krummen Geschäften hatten die Frauen kaum eine Ahnung. Nicht ihre Unschuld interessiert McQueen, sondern ihre Naivität, ihre bisherige Passivität. Das Erbe der Männer ist ein ausgearbeiteter Plan für einen weiteren Coup. Die Witwen, mit dem Rücken zur Wand, trauen sich die Nummer zu - ein erster Schritt auf dem Weg zum Empowerment. Denn auch darum geht es: um Rassismus, Klassismus, Frauenfeindlichkeit. McQueen setzt die Entschlossenheit seiner Heldinnen einem Stresstest aus.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: