Erinnerung:Alles für das Blatt

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Der Chefredakteur der Thüringer Allgemeinen, Paul-Josef Raue, ist im Alter von 68 Jahren gestorben. Die Zeitung war offenkundig seine Welt. Er liebte den Lokaljournalismus und den Dialog mit den Lesern. Eine Begegnung.

Von Hans Leyendecker

Es gibt Journalisten, die sich für das Maß aller Dinge halten, und es gibt die orthodoxen Einzelgänger. Von dem Journalisten Paul-Josef Raue hatte man gehört, dass er Fehlbarkeit als Milderungsgrund für alles oder jedes nicht gelten lasse; interessanter aber war, dass er Schwäche auch für seine eigene Person nicht ausschließe. Das hat man in diesem Beruf nicht so oft. Insbesondere wenn einer - wie Raue - schon diverse Blätter geleitet hatte. In der vergangenen Woche ist er im Alter von 68 Jahren gestorben.

Unsere erste längere Begegnung fand 2007 im Gerichtssaal statt. Raue war damals Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung, und vor dem dortigen Landgericht fanden Prozesse gegen ehemalige VW-Manager statt. Es ging um Untreue, also um das Übliche, aber ungewöhnlich war, dass auch der Chefredakteur auf der Bank der Berichterstatter saß. Neben ihm ein weiterer sachkundiger Kollege seiner Zeitung.

Klar: Für Braunschweig ist alles, was VW betrifft, sehr wichtig. Aber der Chefredakteur Raue war nicht als Aufpasser da, sondern als Aufklärer, und er erzählte, dass das nicht immer einfach sei, aber dass man dem Skandal in allen Facetten nachspüren müsse. Dranbleiben, nicht beirren lassen. Das ist leicht gesagt, aber ihm war es damit ernst. Dann lud er ein, in die Redaktion zu kommen, um sich den Laden mal anzuschauen. Am besten zu einer Redaktionskonferenz.

Er war auch da Chef - aber die Leidenschaft wirkte echt. Das Blatt war offenkundig seine Welt. Dass man den Leser ernst nehmen, ja, lieben müsse, das schien ihm wichtig. Er war viel rumgekommen in der Welt, aber schwärmte von seinen Passionen. Lokaljournalismus, das Geschenk der Pressefreiheit, die Zivilgesellschaft und den Dialog mit den Lesern. Paul-Josef Raue war ein unnaiver Romantiker dieses schönen Berufes.

© SZ vom 19.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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