Digitaler Journalismus:Sie sind jung und brauchen das Geld

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Mit Journalismus über die Runden zu kommen, ist heutzutage herausfordernd - erst recht für Existenzgründer. Doch Förderprogramme erlauben es Medien-Start-ups, an neuen digitalen Ideen zu basteln.

Von Sebastian Jannasch

Eigentlich hätte Pauline Tillmann ziemlich zufrieden sein können. Als freie Korrespondentin reiste sie durch Osteuropa, berichtete für öffentlich-rechtliche Sender über die Maidan-Proteste in der Ukraine und die Olympischen Winterspiele in Sotschi. Doch nach einer USA-Recherchereise packte sie der Gründergeist. "Ich wollte ein eigenes Projekt starten: ein digitales Magazin, für das Journalistinnen spannende Geschichte über Frauen aus der ganzen Welt erzählen." Also gründete die 33-Jährige vor eineinhalb Jahren "Deine Korrespondentin". Die Journalistin wurde zur Start-up-Unternehmerin.

Um Medien-Start-ups machten Gründer und Investoren lange einen Bogen

Lange galten die Medien als ein wenig erquickliches Umfeld für junge Entrepreneure. Digital affine Gründer witterten ihre Chance eher im Onlinehandel, bei Bank- und Versicherungsgeschäften. Doch dank spezieller Förderprogramme, "Acceleratoren" genannt, wächst nun auch eine lebendige Szene für Medien-Start-ups heran. Bei den "Beschleunigern" können Unternehmer dank Anschubfinanzierung und Coachings ihre Ideen weiterentwickeln. Dabei geht es nicht immer um journalistische Inhalte, sondern auch um neue Modelle, mit Journalismus in einer digitalisierten Welt Geld zu verdienen.

Reporterin Tillmann gelang es, per Crowdfunding mehr als 6500 Euro einzusammeln. Damit finanzierte sie den Aufbau ihrer Website, wollte jedoch eine konstante Einnahmequelle finden. "Als Politikwissenschaftlerin war ich mit Marketing und Finanzen anfangs ziemlich überfordert", sagt sie. Tillmann war überzeugt davon, dass Nutzer für ihr Angebot zahlen würden. Die niederschmetternde Bilanz nach zwei Monaten mit Bezahlschranke: zehn Abonnenten, 50 Euro im Monat. Der Zugang ist längst wieder kostenfrei.

Natürlich werden Jungunternehmer im "Pitchen" geschult

Auf der Suche nach Hilfe und Investoren kam die Jungunternehmerin schließlich zum Projekt Flying Elephant in Berlin. "Der Markt für journalistische Start-ups ist nicht ganz einfach", sagt Masoud Kamali, der mit seiner Firma Westtech Ventures speziell Medien-Start-ups in einer frühen Phase unterstützt. "Ich bin aber überzeugt, dass sie wichtig sind." Kamali, der sein Geld mit einem IT-Verlag verdient hat, versteht sich freilich nicht als Gönner. Mittelfristig sollen die Start-ups nicht nur die Investitionssumme wieder einspielen, sondern einen Gewinn erwirtschaften. Für bis zu 50 000 Euro überlassen Teilnehmer den Investoren zehn Prozent der Unternehmensanteile. Während der halbjährigen Förderzeit werden die Entrepreneure in Betriebswirtschaft, Marketing und "Pitchen" geschult, der Kurzvorstellung der Geschäftsidee vor möglichen Investoren.

Neben Werbung und Aboeinnahmen sehen die Macher von Flying Elephant vor allem in der Weiterbildung und Vernetzung lukrative Einnahmequellen. Der Grundgedanke: Journalistische Inhalte selbst werden nicht mehr verkauft, sondern schaffen Reichweite und ein Forum für Gleichgesinnte. Die Medienunternehmer veranstalten daher kostenpflichtige Konferenzen. So bringt der Informationsdienst LaBiotech aus Kamalis Portfolio regelmäßig die europäische Branche zusammen.

Gibt es bald personalisierte Artikel je nach Vorkenntnissen?

Bei anderen Inkubatoren, wie die Programme in Anlehnung an Brutkästen auch genannt werden, haben rein journalistisch ausgerichtete Start-ups dagegen kaum eine Chance. "Wir nehmen nur mediennahe Start-ups auf, die eine sehr starke technologische Komponente haben", sagt Dirk Zeiler. Er leitet den Next Media Accelerator (NMA), der 2015 von der Deutschen Presse Agentur (DPA) mit Unterstützung der Stadt Hamburg initiiert wurde. Mittlerweile sind auch Gruner + Jahr, Springer, Zeit und Spiegel als Geldgeber dabei.

Gerade erst sind fünf neue Start-ups des NMA ins Beta-Haus im Hamburger Schanzenviertel eingezogen. Einer von ihnen ist Yaniv Solnik aus Israel. Seine App verbindet zwei wichtige Internettrends: die Vorliebe für Videos und der Wunsch von Nutzern, selbst mitzuwirken. Die können ganz einfach Video-Feedbacks zu Artikeln und Themen geben. "Besonders im Sportbereich kommt das sehr gut an," sagt er. "Zum Beispiel, wenn sich Fans gegnerischer Mannschaften auf Sportwebsites einen verbalen Schlagabtausch liefern." Das interaktive Angebot erhöht die Verweildauer auf der Seite. Medien können so mehr Werbung verkaufen, etwa in Form von Spots oder gesponserten Videobeiträgen.

Wie wichtig es ist, Nutzer durch anregende Funktionen länger auf der Website zu halten, hatte jüngst auch Jeremy Gilbert betont. Der Strategiechef der Washington Post, war Ende September zu Gast beim Scoopcamp, einem Klassentreffen digitaler Medienmacher in Hamburg. Einen wichtigen Trend sieht er darin, journalistische Texte maßzuschneidern und Nutzer so an die Marke zu binden. Anhand des vorherigen Leseverhaltens soll eine Software etwa bemerken, ob man Politikjunkie ist oder sich zum ersten Mal mit dem US-Wahlkampf beschäftigt und entsprechend unterschiedliche Inhalte ausspielen. Diese Personalisierung wäre manchen wohl unheimlich, würde es Medien aber erlauben, teurere Werbung zu verkaufen.

Inhalte bereitzustellen reicht nicht mehr. Sie müssen zum Leser gebracht werden

Einig sind sich Medienexperten, dass es nicht mehr reicht, journalistische Inhalte bereitzustellen. Sie müssen auf verschiedenen Kanälen zum Leser gebracht werden. An einer solchen Möglichkeit arbeitet Jornu im Media Lab, das München mit Unterstützung vom Freistaat Bayern zum attraktiven Start-up-Standort machen soll. Jornu, noch in der Testphase, soll Lesern ermöglichen, "ihren Lieblingsreportern zu folgen, keinen Artikel zu verpassen und sich so eine eigene Redaktion zu bauen", sagt Mitinitiator Florian Carls. Vor allem freien Journalisten biete man die Möglichkeit, ihre eigene Marke aufzubauen und für Leser ansprechbar zu sein. Finanziert werden soll Jornu durch eine Abo-Gebühr.

Auch "Deine Korrespondentin" Pauline Tillmann sucht noch nach dem richtigen Finanzierungsmodell. Zurzeit verkauft sie einige Artikel an Regionalzeitungen, auch Sponsoring-Partner für ihr Magazin kann sie sich vorstellen. Obwohl die Selbstständigkeit immer wieder Rückschläge bereithält, ans Aufhören habe sie nie gedacht: "Ich will den Medienwandel mitgestalten und nicht jammernd an Geschäftsmodellen festhalten, die keine Zukunft haben."

© SZ vom 20.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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