Comeback:Goldketten und Geldscheine

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War früher alles besser? Die Neuauflage von Yo! MTV Raps moderieren Palina Rojinski und MC Bogy. (Foto: David Biene)

Viel Stoff: MTV versucht sich an einer Neuauflage der 90er-Kult-Show "Yo! MTV Raps" und nimmt sich dabei die deutsche Szene vor - was zum Problem werden dürfte.

Von Benjamin Emonts

Schweinwerferlicht strahlt von der Decke ins Halbdunkel, der Beat dröhnt, vorne an der Bühne tanzen die Leute. Könnte 'ne gute Party sein. Nur irgendwie will man nicht dabei sein. Das liegt am Rap in Halbplayback aus den Lautsprechern, wobei das noch als Geschmackssache durchgehen könnte. Schlimmer ist, dass hier alles so steril und aufpoliert aussieht. Die tanzende Meute wirkt so bestellt, wie sie es sein dürfte. Schon nach zwei Minuten Yo! MTV Raps kommt also Wehmut auf. Früher war die Sendung leider cooler. Viel cooler.

Der Sender MTV hat sich mit dem Format eine anspruchsvolle Aufgabe gestellt - vermutlich ein paar Nummern zu groß. Moderator und Rapper MC Bogy sagt wenig zurückhaltend in der ersten Folge: "Hier wird Geschichte geschrieben gerade." An solchen Sprüchen müssen sich die Macher denn auch messen lassen. Doch mit der Ursprungsversion von Yo! MTV Raps, die vor mehr als 30 Jahren erstmals im Fernsehen ausgestrahlt wurde, kann das neue Format nicht mithalten. Damals vermittelte die Sendung ein Lebensgefühl, eine neue Kultur. Der Nachfolger wirkt dagegen orientierungslos wie ein Teenager.

Die fast schon tiefsinnige Frage: Platzt die Deutschrap-Blase?

Klar, die Zeiten haben sich geändert, Rapmusik ist längst nicht mehr so revolutionär wie noch zu ihren Anfangsjahren in den USA. Zwischen 1988 und 1995 wurde Yo! MTV Raps dort produziert. Die Sendung dokumentierte den steilen Aufstieg des amerikanischen Sprechgesangs zu einer bedeutenden Jugendkultur, die sich auf der ganzen Welt ausbreitete. Das Set allein war genial: Besprühte Backsteinwände bildeten eine Straßenkulisse, in der man gemeinsam abhing, auflegte und freestylte. Auf der Parkbank am Set wurden neue Trends und Legenden geboren. Tupac, Busta Rhymes, Notorious B.I.G., der Wu-Tang Clan - wer in der Szene was auf sich hielt, war in der Sendung zu sehen. Moderiert wurde sie damals von Ed Lover, Fab 5 Freddy und Doctor Dré (nicht zu verwechseln mit dem Rapper Dr. Dre).

Die Idee hinter der Serie ist gleich geblieben. Man will in acht Folgen einen umfassenden Blick auf die Rap-Szene, in diesem Fall die deutsche, werfen, was zum Problem werden dürfte, weil die Szene noch nie so heterogen war wie heute. Die Rap-Elite des Landes und aufstrebende Newcomer sollen eine Bühne bekommen. Live-Auftritte wechseln sich mit Interviews, Reportagen und Musikvideos ab. Dazu kommen dokumentarische Beiträge zu aktuellen Entwicklungen in der Szene. Gleich in Folge eins geht es um den "Hype", den der Deutschrap der Gegenwart erlebt. Er bringe serienmäßig Charthits und fast täglich erfolgreiche Emporkömmlinge hervor. Viel Stoff für knapp 20 Minuten pro Folge.

Die üblichen Stereotype der Szene dürfen natürlich nicht fehlen. Rapper und Studiogast OG Keemo sieht in seinem Musikvideo ziemlich böse verprügelt aus. Summer Cem legt Moderatorin Palina Rojinski, die leider eher blass bleibt, in seinem Studio ein Bündel Bargeld hin. "Sieht nach Grasticker-Geld aus", sagt Rojinski. Summer Cem: "Ja was willst du machen, das kann man ja nicht zur Bank bringen." Gewalt, Goldketten und Geldscheine eben. Fast schon tiefsinnig wird später gefragt, ob die Erfolgsblase des deutschen Raps irgendwann platzen könnte. Summer Cem antwortet: "Nee Mann, das sind doch keine Bitcoins!"

Yo! MTV Raps, MTV, samstags, 22 Uhr.

© SZ vom 22.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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