China:Die unsichtbare Hand

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"So schlimm wie in den vergangenen 20 Jahren nicht": Die Regierung in Peking kontrolliert die Medien massiv - nicht nur die im eigenen Land. Die Geschichte einer alarmierenden Entwicklung.

Von Lea Deuber

Linientreu: Die Agentur Xinhua hat mit einem animierten Nachrichtensprecher vorgeführt, wohin sich Chinas Medienlandschaft entwickelt hat. (Foto: Xinhua/Youtube)

Erst auf den zweiten Blick fällt es auf. Der Moderator auf dem Bildschirm ist kein Mensch, sondern nur das digitale Abbild eines bekannten Nachrichtensprechers. Stolz führte die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua die stockend sprechende Computeranimation im November als neues Mitglied ihres Redaktionsteams vor. Ein Journalist, der nicht seiner redaktionellen Unabhängigkeit verpflichtet ist, sondern wie eine Puppe vorgeschriebene Texte abliest: Die Agentur zeigt selbst, wohin sich Chinas Medienlandschaft in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Journalisten sollen sich "eng mit den Gedanken, der Politik und den Aktionen der Partei verbünden", fordert Präsident Xi Jinping. Dafür hat er seit seinem Amtsantritt 2013 Medien auf seine Linie gebracht, den Druck auf Redaktionen erhöht und Journalisten und Blogger verhaften lassen. Bei einem Besuch des Premiers 2016 in den landesweit wichtigsten Medienhäusern CCTV, People's Daily und Xinhua applaudierten ihm die Redakteure, als er wie bei einer Inspektion durch die Gänge lief. Dem World Press Freedom Index für die Pressefreiheit zufolge liegt das Land im internationalen Vergleich auf Platz 176 der 180 Staaten. Der Club für ausländische Korrespondenten in China (FCCC) findet die Situation "so schlimm wie in den vergangenen 20 Jahren nicht".

Die Kontrolle über die heimischen Medien reicht aber längst nicht mehr. Um seine politische Agenda und das eigene Medienverständnis durchzusetzen, weitet Peking systematisch seinen Einfluss auf ausländische Redaktionen aus, investiert in Verlage und erhöht den Druck auf Medienhäuser und Journalisten, die dem Kurs nicht folgen. Das legt ein am Montag erschienener Bericht von Reporter ohne Grenzen nahe. Darin spricht die Organisation von einem Ausmaß der chinesischen Einflussnahme, das "eine konkrete Gefahr" für Demokratien weltweit bedeute. "Wenn sich die Demokratien nicht wehren, wird Peking ihnen seine Propaganda aufzwängen", warnt Christophe Deloire.

"Wenn sich die Demokratien nicht wehren, wird Peking ihnen seine Propaganda aufzwängen"

Eigene Sender im Ausland betreibt das Land seit Jahrzehnten. Zuletzt hat es sein Investment aber deutlich erhöht; 1,3 Milliarden Euro fließen pro Jahr in die internationalen Netzwerke. Das China Global Television Network (CGTN) betreibt sechs Kanäle in Englisch, Französisch, Arabisch, Russisch und Chinesisch. Die Programme werden in mehr als 140 Länder ausgestrahlt. Der Radiosender China Radio International (CRI) sendet in 65 Sprachen in mehr als 70 Länder. Reuters zufolge soll er in mindestens 33 Sendern in 14 Ländern der größte Anteilseigner sein. Die englischsprachige Staatszeitung China Daily hat nach eigenen Angaben 150 Millionen Leser. Die Nachrichtenagentur Xinhua, die in 19 Sprachen veröffentlicht, hat allein 56 Millionen Follower bei Facebook.

Die offiziellen Ziele, denen sich die Kanäle verschrieben haben: "die Verbreitung der Theorien, Richtungen, Prinzipien und Politiken der Partei" sowie "die China-Story gut erzählen". Li Congjun, früherer Chef der Xinhua und heutiges Mitglied des Zentralkomitees, nannte die Schaffung einer neuen "globalen Medien-Weltordnung" bereits 2013 als ein wichtiges Ziel für die Partei: "Wenn wir es nicht schaffen, die neuen Medien zu dominieren, werden es andere tun und uns damit die Chance nehmen, die öffentliche Meinung zu beherrschen."

Da das Land auf etablierten Medienkongressen wie dem World News Media Congress nur wenig Gehör findet, hat es eigene Medienforen gegründet, um seine Vorstellung von Pressefreiheit durchzusetzen. Seit 2009 veranstaltet es den World Media Summit, der von der Staatsagentur Xinhua finanziert wird. 2012 fand das zweite Treffen in Russland statt, 2016 in Katar. Zwei Staaten, die in Sachen Pressefreiheit auf den hinteren Plätzen liegen. Seit 2016 veranstaltet das Land jährlich den Brics Media Summit. Auf den Veranstaltungen werden Themen wie die "westliche Medien-Hegemonie" und "positive Berichterstattung" diskutiert. Den Richtlinien der KP zufolge ist es die Aufgabe von Journalisten, sich an das "Positiv-Prinzip" zu halten. Das heißt, "eine Balance zwischen Lob und dem Aufzeigen von Problemen" zu wahren.

Mehrere Tausend ausländische Journalisten hat Peking in den vergangenen Jahren für Lehrgänge nach China eingeflogen. Dort lernen sie nicht nur die Propagandawerkzeuge der KP ("Die Aufgabe eines Journalisten ist der Schutz der Sicherheit einer Gesellschaft" und "das aktive Bewerben positiver Informationen über Reformen im eigenen Land"), sondern auch die richtigen "Sprachelemente" für international umstrittene Projekte wie die Seidenstraßen-Initiative. Dafür haben die Xinhua, CGTN und CRI eigens die "Belt and Road News Alliance" gegründet. 72 Medien aus 42 Ländern gehören der Organisation an. Journalisten aus Sambia, die im Dezember in Peking an einem solchen Programm teilnahmen, reüssierten im Anschluss, Chinas Verfassung sichere seinen Bürgern freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit zu. Sambias Medienlandschaft solle sich das Land als Vorbild nehmen.

Da in vielen demokratischen Staaten der Expansionskurs Chinas eher kritisch gesehen wird, setzt Peking dort auf eine andere Strategie: Wer nicht kooperiert, wird gekauft. Laut Bloomberg soll China allein in Europa drei Milliarden Euro für Anteile von Medienhäusern investiert haben. Eine Tendenz, die auch das Berliner Merics-Institut im vergangenen Jahr in einer Studie über die chinesische Einflussnahme in Europa bestätigte. Was solche Investitionen bedeuten können, zeigte der Fall von Azad Essa, einem Kolumnisten der südafrikanischen Independent Online. Als er im vergangenen Jahr über die Verfolgung der muslimischen Minderheiten in China berichtete, verlor er wenige Stunden später seinen Job. Hinter dem Medienhaus stehen gleich zwei chinesische Investoren. Darunter ein Entwicklungsfonds für Afrika.

Beobachter sprechen von der "unsichtbaren Hand Pekings", die in immer mehr Teilen der Welt ihre Macht im Interesse des Landes einsetzt. Von gefeuerten Journalisten bis zum Druck auf Investoren. Der Besitzer der Vision China Times berichtete bereits 2017, dass chinesische Beamte Anzeigenkunden der Zeitung bedroht hätten. Sollten sie nicht aufhören, die Zeitung mit Anzeigen zu unterstützen, müssten sie in China mit Konsequenzen für das eigene Geschäft rechnen.

© SZ vom 27.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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