Chefredakteur der "Weltwoche":Freude, den Frieden zu stören

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Der Titel über Roma in der Schweiz ist nur der jüngste Eklat, den die "Weltwoche" verursacht hat: In den letzten fünf Jahren hat Chefredakteur und Verleger Roger Köppel das Blatt umgekrempelt und klar nach rechts geführt. Geschichten wie "Die Roma kommen" sieht er selbst als Teil des "klassischen journalistischen Konzepts" - und beruft sich auf ein großes Vorbild aus Deutschland.

Wolfgang Koydl

Wie ein Bilderstürmer wirkt Roger Köppel nicht. Eher verkörpert der 47-jährige Schweizer Journalist den Typ Musterschüler: ausgesucht höflich, zuvorkommend, brav. Wenn da nicht manchmal etwas anderes hinter den Brillengläsern aufblitzen würde: Schalk? Schadenfreude? Oder das, was der Engländer mischief nennt, also die diebische Freude, den Frieden ein wenig zu stören.

Das gelingt Köppel mit der von ihm verlegten und geleiteten Weltwoche immer wieder. So fanden sich seine französischsprachigen Landsleute in der Romandie unlängst als faule "Griechen der Schweiz" porträtiert. Neulich brachte Köppel eine Story über Roma-Banden in der Schweiz. Das Cover zeigte einen Roma-Jungen mit Pistole. In der Schweiz und im Ausland handelte sich Köppel Entrüstung, Ablehung und Klagen ein.

Ausläufer der obszönen Roma-Geschichte schafften es bis zur New York Times und nach London zur BBC. Mehrere Privatpersonen in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland sowie der Zentralrat der Sinti und Roma erstatteten Anzeige. Der deutsche Roma-Dachverband unternahm Anstrengungen, den Vertrieb der Ausgabe in Deutschland zu unterbinden. Gegen die Schriftstellerin Sibylle Berg wiederum will Köppel rechtlich vorgehen. Sie verglich die Weltwoche mit dem antisemitischen Hetzblatt Der Stürmer.

Köppel kann die Aufregung natürlich nicht verstehen, sagt er. Die Geschichte sei Teil des "klassischen journalistischen Konzepts", das er in der Weltwoche gepflegt sehe: "Missstände aufzudecken, die Dinge beim Namen zu nennen", und auch "sogenannte politisch unkorrekte Themen aufzugreifen". Darin folge er seinem großen Vorbild: "Dem Spiegel der sechziger Jahre, bevor der zum Denkmal des Journalismus wurde." Wofür die Weltwoche später ein Denkmal wird?

Nachdem Köppel das früher linksliberale Wochenblatt vor gut fünf Jahren gekauft hatte, führte er es klar nach rechts - manche sprachen von einem Kampfblatt der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP). Trotzdem sind zuletzt einige der kritischsten Enthüllungen über die SVP in der Weltwoche erschienen.

Bloß ein spielendes Kind auf einer Müllkippe im Kosovo

Die Überfremdungsängste der SVP schienen sich in Aufmachung und Inhalt des Titels über die Roma-Banden auszudrücken. Das Cover-Foto und die Zeile ("Die Roma kommen. Raubzüge in der Schweiz") provozierten Vorwürfe bis zur Beschuldigung des "Rassismus". Köppel räumt ein, dass es "mal besser, mal schlechter" gelinge, ein Titelbild zu finden, das die Botschaft des Textes zum Ausdruck bringe. Im konkreten Fall, sagt er, "glaube ich ganz sicher, dass die Kernbotschaft präzise und eindringlich transportiert" worden sei: "Die Verquickung von Verwahrlosung, Kind, Kriminalität wird symbolisch dargestellt." Das Foto zeigt aber bloß ein spielendes Kind auf einer Müllkippe im Kosovo.

In ihrer aktuellen Ausgabe veröffentlichte die Weltwoche einen kurzen Abriss berühmt-berüchtigter Titelbilder - angefangen beim Spiegel-Titel mit dem Revolver im Spaghetti-Teller über das Mafia-Land Italien bis zum Stern-Cover, das den toten Uwe Barschel in der Badewanne zeigte. Die Fotos seien seinerzeit als skandalös empfunden worden, meint Köppel, heute würde niemand ein zweites Mal hinsehen.

Man kann sich so ganz gut in eine Reihe mit Legenden stellen, an die man sonst nie heranreichen würde. Die ersten Titel nach dem Skandal waren unverfänglich: Ein Glückskäfer zierte eine Story über Optimisten - und eine zum Grabkreuz verzerrte Flagge einen Beitrag über die "Duckmäuser-Nation" Schweiz. Na klar, solche Kuscher brauchen eine Weltwoche.

© SZ vom 21.04.2012/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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