Carsten Maschmeyer:Grillen fällt aus

Ein umstrittener Unternehmer befragt von einem Journalisten, der nicht zur pudel-zahmen Fraktion des Gewerbes gehört. Das war der Plan. Doch Carsten Maschmeyer sagte beim Netzwerk Recherche ab.

Es hätte alles so schön sein können. Ein umstrittener Unternehmer, der mit einem Finanzvertrieb Millionen gemacht hat, vor Hunderten Journalisten. Am 1. Juli, 16.15 Uhr, befragt von einem Journalisten des Spiegel, der nicht zur pudel-zahmen Fraktion des Gewerbes gehört. Das ganze Gespräch ("Medienopfer oder Finanzbetrüger?") auf dem Gelände des NDR, mit dem sich der Interviewte vor Gericht streitet. Ein Höhepunkt also für die Jahrestagung von Netzwerk Recherche, der Vereinigung für investigativen Journalismus.

AWD-Gründer Maschmeyer

Es wird nichts mit dem Auftritt von Carsten Maschmeyer beim Netzwerk Recherche.

(Foto: dpa)

Doch es wird nichts mit dem Auftritt von Carsten Maschmeyer, 52, dem langjährigen Chef des Allgemeinen Wirtschaftsdienstes (AWD), der es durch seine Liaison mit der Schauspielerin Veronica Ferres zum VIP-Status in der bunten Show-Welt gebracht hat. Am Mittwoch sagte der Mann aus Hannover bei Spiegel-Redakteur Markus Grill ab, der ihn interviewen sollte. "Mit Befremden" verfolge er die öffentliche Debatte über das geplante Streitgespräch, schrieb Maschmeyer, es werde ihm unterstellt, er habe die Veranstalter "instrumentalisiert" oder es könne sich "um einen PR-Gag" handeln. Entsprechend werde aufgefordert, ihn zu "grillen"; das Gespräch sei zur "willkommenen Gelegenheit mutiert, bei der doch jeder sagen kann, wie er sich von ihm (Maschmeyer) ungerecht behandelt und verfolgt fühlt". Das sei aber nie Intention gewesen. Und, deshalb: "Nach reiflicher Überlegung habe ich entschieden, meinen Beitrag zur Glättung der Wogen zu leisten, und meine Teilnahme abzusagen, solange ich ja auch noch nicht im offiziellen Programm stehe."

Hohe Wogen der Erregung gab es bei Christoph Lütgert, 66, langjähriger Chefreporter des NDR und Mitarbeiter des Magazins Panorama, inzwischen pensioniert. Mit einer Abschiedsrecherche in Sachen Maschmeyer, der als dubioser "Drückerkönig" frei gelegt wurde, der gute Kontakte zu Politikern wie Altkanzler Gerhard Schröder und Bundespräsident Christian Wulff unterhalte, sorgte er für Aufmerksamkeit. Der Attackierte wehrte sich mit allen Waffenformen des juristischen Verteidigungswesens. Versuche, die Scharmützel per Vergleich zu beenden, sind ebenso gescheitert, wie der Plan, Journalist Lütgert auf dem Netzwerk-Recherche-Kongress mit Maschmeyer direkt streiten zu lassen.

Den langjährigen NDR-Mann hat der Gang der Dinge "fassungslos" gemacht. Anfang Mai wetterte er, dass man für den Auftritt Maschmeyers dessen Bedingungen (nicht mit Lütgert) akzeptiert und so die Redaktion von Panorama - die Reporter desavouiert habe. Die habe ja gezeigt, wie Maschmeyer "Tausende Menschen ins Unglück" gestürzt habe, "durch eine wie auch immer geartete Dynamik wurden wir zu seinem Haupt-Gegner". Dagegen argumentierte für Netzwerk Recherche der NDR-Redakteur Kuno Haberbusch: Man lasse sich nicht instrumentalisieren, das sei "Quatsch". Maschmeyer habe die Anfrage für eine Debatte mit Lütgert Ende März abgelehnt, dann sei die Idee aufgekommen, es mit dem "kongenialen Gesprächspartner" Grill zu versuchen. Er selbst bekomme ja "hautnah" mit, wie die Redaktion von Panorama bedrängt werde, "wir sitzen in einem Boot". Es müsse mit Maschmeyer aber über dessen Umgang mit Journalisten geredet werden. Die Redaktion von Panorama verlangte, am Maschmeyer-Gespräch beteiligt zu werden. Lütgert schließlich sagte erst die Mitarbeit bei der Jahrestagung ab und kündigte dann seinen Austritt aus Netzwerk Recherche an.

Die Bilanz dieser Geschichte: viele Insider-Artikel in der Fachpresse, miteinander zerstrittene Journalisten, die es nur gut meinten, reichlich zerdeppertes Porzellan und die Frage, wer hier eigentlich wen "gegrillt" hat. Carsten Maschmeyer hat noch einen Schluss-Gag übrig: Er wolle nicht verhehlen, schreibt er, in dieser Sache "viel gelernt zu haben über Wirkmechanismen in Teilen des deutschen Journalismus, die ich mir vorher so nie vorstellen konnte."

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