"Breaking Bad" auf Arte:Auf der schiefen Bahn

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Aus purer Verzweiflung stellt der gescheiterte Highschool-Lehrer White ein synthetisches Rauschmittel her, um über die Runden zu kommen. Doch die vermeintliche Rettung führt immer weiter in den Abgrund. Die dritte Staffel "Breaking Bad" läuft nun auf Arte - und bringt die Probleme der amerikanischen Mittelschicht auf den Punkt.

Jan Füchtjohann

Es gibt Leute, die schützen sich mit der unerbittlichen Vierer-Regel gegen eine Überdosis US-Serien: Nie mehr als vier Folgen hintereinander und nie nach vier Uhr morgens eine neue anfangen. Wenn nun bei Arte die dritte Staffel von Breaking Bad anläuft und dabei jede Woche drei Episoden am Stück gezeigt werden, wurde also gerade noch alles richtig gemacht. Und tatsächlich verträgt man den starken Tobak aus Amerika am besten unter Aufsicht einer großen europäischen Behörde.

Noch arbeiten Walter (Bryan Cranston, l.) und Jesse Lee Pinkman (Aaron Paul) zusammen. Doch ihre Wege trennen sich in der dritten Staffel "Breaking Bad" - Kollegen werden zu Rivalen. (Foto: obs)

Breaking Bad" bedeutet: "auf die schiefe Bahn geraten", und das passiert in der Serie einem Mann namens Walter White (Bryan Cranston). Dessen Name ist natürlich kein Zufall: White ist der typische frustrierte Weiße aus der abstürzenden Mittelschicht, die Verkörperung des amerikanischen Albtraums. Er lehrt Chemie an einer Highschool und muss, um über die Runden zu kommen, im Nebenjob die Chromfelgen seiner Schüler putzen.

Als er krank zusammenbricht, verkünden ihm die Ärzte im Krankenhaus das Todesurteil: Lungenkrebs. Aufgerieben zwischen einem Schulsystem, das ihm zu wenig bezahlt, und einem Gesundheitssystem, das unbezahlbar ist, bleibt White am Ende allein mit der Angst um seine Familie, die er nicht unversorgt hinterlassen möchte. Also fängt er an, das Rauschmittel Methamphetamin herzustellen, und verstrickt sich immer tiefer in eine Parallelwelt aus Drogengeschäften und organisierter Kriminalität.

Eine gute Serie hat immer zwei Gesichter: Sie zeigt das Leben und sie zeigt dessen Bedeutung. Jede Figur, jede Handlung und jeder Satz in Breaking Bad ist für sich nachvollziehbar und doch zugleich eine Metapher. So ist etwa Methamphetamin eine wirkliche Droge, gleichzeitig aber eines der wenigen Rauschmittel, das nicht aus der dritten Welt importiert wird (anders als etwa Kokain oder Heroin). Es bringt die Probleme der amerikanischen Mittelschicht auf den Punkt: Dem Land ist die Arbeit ausgegangen, und es ist von billig importierten Waren abhängig.

Sogar die Cops haben Panik

Doch auch die vermeintliche Rettung - der Versuch, endlich wieder selbst etwas herzustellen - führt nur immer weiter in den Abgrund. In Staffel drei lässt sich das hervorragend beobachten: Whites Ehe ist zerrüttet, am dem von ihm verdienten Drogengeld klebt so viel Blut, dass er es am liebsten verbrennen möchte, und in seinem Nacken sitzen zwei aus Mexiko eingereiste Axtmörder, die nur eines im Sinn haben: Rache.

Breaking Bad verfilmt also das Trauma der Globalisierung. Nicht zufällig spielt die Serie in Albuquerque, einer rasant wachsenden Suburbia nahe der Grenze zum gescheiterten, von Kartellen regierten Mexiko. Sogar der harte Drogencop bekommt Panikattacken, als er direkt an die Front nach El Paso versetzt wird. Auf der anderen Seite wird gezeigt, wer in dieser neuen Welt reüssiert: skrupellose Gangster, die fließend Spanisch sprechen, ein korrupter Rechtsanwalt, und eben Walter White, der alle Hoffnung fahren lassen hat und außer Amerikanisch zum Glück auch noch eine weitere, universal gültige Sprache beherrscht: die Formeln der Chemie.

Das wirklich Phantastische ist jedoch, dass all das nur hier so didaktisch klingt. Die Serie selbst hat einen strategischen Vorteil: Sie wird von einem Team geschrieben. Neben dem Zeitdiagnostiker sitzt also immer noch der Emo, der sich um die inneren Gefühle der Figuren kümmert. Daneben weiß ein Autor mit Chemiestudium, wie man Drogen synthetisiert, und eine Polizistin hilft mit zehn Jahren Diensterfahrung. So entsteht insgesamt eine bemerkenswerte Detailschärfe und Vielschichtigkeit. Nur das Einhalten der Vierer-Regel macht das sehr schwer.

Breaking Bad, Arte, 22:20 Uhr.

© SZ vom 11.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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