BGH:Zum Verwechseln?

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Früher fielen die Amtsblätter von Kommunen durch bleigraue Optik und hölzerne Sprache auf. Heute machen sie vielerorts Lokalzeitungen Konkurrenz. Der Bundesgerichtshof prüft, wie sehr Amtsblätter Lokalzeitungen ähneln dürfen.

Von Wolfgang Janisch

Früher gaben Kommunen bleigraue Amtsblätter mit hölzernen Verlautbarungen heraus, heute sehen sie handelsüblichen Lokalzeitung zum Verwechseln ähnlich. Der Ärger über die so entstandene Konkurrenz schwelt schon eine Weile. Nun aber steht den Kommunen, vor allem jenen in Baden-Württemberg und Bayern, wahrscheinlich ein großer Umbruch ihrer lokalen Kommunikationsgewohnheiten bevor. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Mittwoch über eine Klage der Südwest Presse gegen das Stadtblatt im baden-württembergischen Crailsheim verhandelt.

Ein Urteil wird erst in einigen Wochen verkündet, aber wenn nicht alles täuscht, wird der BGH die Amtsblätter auf ihr Kerngeschäft zurechtstutzen - auf mehr oder minder offizielle Mitteilungen aus Rathaus und Stadtrat.

Dass die Blättchen längst mit zeitgemäßem Layout und journalistischer Sprache daherkommen, wäre kein Problem, aber die Amtsblätter wildern auch inhaltlich (und zudem bei den Anzeigen) auf dem Terrain der örtlichen Presse: Ein modernes Stadtblatt berichtet über Gewerbe, Kirchenfeste, Kulturevents. Traditionell sind solche zeitungsähnlichen Blätter vor allem in Süddeutschland verbreitet; Freiburg, Stuttgart und Karlsruhe gehören zu den bekannteren Beispielen. Aber wenn eine interne Umfrage des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger, von deren Ergebnissen die Süddeutsche Zeitung erfahren hat, die Wirklichkeit auch nur halbwegs zutreffend abbildet, handelt es sich um ein bundesweites Problem: Danach haben 76 Prozent der Amtsblätter und 57 Prozent der kommunalen Online-Portale einen redaktionellen Teil, der sich - nach Einschätzung der Verlage - nicht mehr im Rahmen legitimer Öffentlichkeitsarbeit bewegt.

Der BGH-Senatsvorsitzende Thomas Koch ließ in seiner "vorläufigen Einschätzung" keinen Zweifel daran, dass der kommunale Info-Aktivismus ans Herz der Pressefreiheit rührt, nämlich an die "Institutsgarantie der Presse". Gewiss, der Staat dürfe Öffentlichkeitsarbeit betreiben - aber über allem stehe das Gebot der Staatsferne: "Der Staat darf sich nur in engen Grenzen auf dem Gebiet der Presse betätigen." Wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen wären damit tabu. Allenfalls bei Öffnungszeiten und Gottesdiensten könnte der BGH ein Auge zudrücken.

Christoph Grimmer, Oberbürgermeister von Crailsheim, wies indes auf ein bedenkenswertes Problem hin. Die Dauerkrise der Zeitungen führt zu weißen Flecken in der Presselandschaft, namentlich in kleinen Gemeinden. Wie soll eine Stadt damit umgehen, wenn ihr bei der Information über das örtliche Geschehen enge Fesseln angelegt werden? Andererseits wurde deutlich, dass die Städte ihre Rolle sehr großzügig interpretieren: Zum Informationsauftrag gehöre auch, den Dialog über das lokale Geschehen zu fördern, teilte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, im Vorfeld der Verhandlung mit. Im Prozess erläuterte Jörg Semmler, Anwalt der Stadt Crailsheim, diesen ziemlich umfassender Kommunikationsansatz. Heutzutage könne sich eine Stadt nicht auf bloße Rathausnews beschränken, sondern müsse das Engagement der Bürger stärken - und ihre "Identifikation" mit der Gemeinde. Womit er, wahrscheinlich ungewollt, einen heiklen Punkt angesprochen hat: Ob ein Gemeindeblatt nur die Identifikation mit dem Heimatort fördert oder eben doch die politische Unterstützung des aktuellen Bürgermeisters, wird schwer zu trennen sein. Jedenfalls liegt die Versuchung nahe, dass der Chef des Amtsblattes dafür sorgt, dass der Chef des Rathauses - also er selbst - dort gut wegkommt.

© SZ vom 14.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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