Ausstellung:Einschaltpfote

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Tiere sind seit jeher Publikumslieblinge in Film und Fernsehen sowie auch in Internetvideos ein Klickgarant. Das Rundfunkmuseum Fürth widmet sich dieser Faszination und spart auch die Kritik daran nicht aus.

Von Uwe Ritzer

Flipper hieß in Wirklichkeit Mitzi, Suzy, Cathy und Bebe. Und er war auch kein Junge, sondern vier Mädchen. Als Flipper waren sie eine Filmfigur und ein Weltstar. In Kinofilmen und knapp 90 Serienfolgen half der intelligente Delfin entlang Floridas Küste bei der Verbrecherjagd oder rettete Schiffbrüchige, gewissermaßen als viertes Mitglied der Familie von Küstenwache-Ranger Porter Ricks und seinen Söhnen Sandy und Bud. Unzählige Kino- und Fernsehzuschauer begleiteten Flipper bei seinen Abenteuern - und übersahen dabei das schlimme Schicksal von Mitzi, Suzy, Cathy und Bebe.

Es spricht für die Macher der Fürther Ausstellung "Walross, Rundfunk & Co. - Tierisches aus Fernsehen und Radio", dass sie dieser Versuchung nicht erlagen. Dabei gäbe das Thema genug possierliche Vergnüglichkeit her, um es dabei auch zu belassen. Tiere sind sympathische Helden in Blockbustern, sie übertragen ihr gutes Image als Testimonials auf Autos, Schokolade, Speiseeis oder Waschpulver, sie geben die liebenswürdigen Maskottchen von Radio- und Fernsehsendern (man denke nur an das einstige NDR-Walross Antje, Gotthabsieselig). Die Auftritte von Wum und Wendelin, Zeichentrick-Hund und -Elefant, waren zwischen 1974 und 1992 Höhepunkte bei Der große Preis, einer der erfolgreichsten ZDF-Shows.

In der Werbung hofft man, bestimmte tierische Eigenschaften auf Produkte zu übertragen

Musikbands benennen sich gern wie Tiere oder besingen sie wenigstens. In den aktuellen TV-Programmen wimmelt es täglich vor Tierflüsterern und -pflegern. Und in den sozialen Netzwerken vervielfältigen sich Clips von tapsigen Vierbeinern oder artenübergreifenden Freundschaften in rasendem Tempo. Kurzum: Tiere sind Stars auf allen Kanälen. Sie garantieren hohe Einschaltquoten, maximale Aufmerksamkeit und dementsprechenden finanziellen Gewinn. Und das schon seit Jahrzehnten.

Auf die Idee, diesem animalischen Dauer-Boom eine kleine, aber intensive Sonderausstellung mit Plakaten, Filmen und allerhand Exponaten zu widmen, kamen Museumsleiterin Jana Stadlbauer und ihr Kollege Danny Könnicke bei einem Plausch über Tierisches in der Musik. Über Songs wie "Who let the dogs out" oder "I'm an Albatraoz", sowie den Umstand, dass ein Beetle im Englischen zuvörderst ein Käfer ist, aus dem erst im kulturhistorischen Verlauf etwas ganz anderes wurde. "Wir haben entdeckt, dass das in der gesamten Radio- und Fernsehwelt ein riesiges Themengebiet ist", sagt Stadlbauer.

Das Rundfunkmuseum Fürth ist an sich schon ein Kleinod. Es ist in jener Villa angesiedelt, von der aus einst Max Grundig sein Imperium regierte, der größte Versorger der Deutschen mit Audio- und Fernsehgeräten in der Nachkriegszeit. Übrigens eine Industrie, die vor allem in den Fünfziger- und Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts ziemlich tieraffin war. Der Hersteller Schaub-Lorenz etwa taufte damals ein Kofferradio "Bambi", der VEB Hartmannsdorf in der DDR vertrieb einen "Spatz". Und apropos Grundig: Gleich am Eingang der Fürther Ausstellung findet sich das imposante Foto eines weißen (!) Leopardenkopfes, der gefährlich, dominant und stolz zugleich seine Reißzähne zeigt. "For good reasons - Grundig" steht daneben.

Im Genre der Radio-, Fernseh- und Internetwerbung waren und sind Tiere epochenübergreifend gefragte Protagonisten. Die Leipziger Verkehrsbetriebe etwa nutzten einen an einem Hosenbein rammelnden Hund für eine Kampagne gegen Schwarzfahrer, während Sixx, der private Frauen-TV-Sender, sich gern mit Hühnern inszeniert, was mit Blick auf die Zielgruppe durchaus interessante psychologische Fragen aufwirft.

Immer hoffe man, "bestimmte Eigenschaften eines Tieres auf die jeweilige Marke oder Produkte übertragen zu können", sagt Museumsleiterin Stadlbauer. Tiere können vieles sein, putzig, stark, sensibel, heldenhaft, stolz, mysteriös. Oder sie vermitteln einfach das Gefühl von Freiheit, Abenteuer und Natur. Es muss halt irgendwie passen. Wie bei dem mehrfach gepiercten Karikatur-Kuhkopf, mit dem der ostfriesische Heavy-Metal-Sender Radio Gehacktes für sich wirbt.

Ausstellungsmacher Könnicke ist es gelungen, dergleichen augenzwinkernd zu inszenieren. Radiogeräte mit Tiernamen werden in den Themenwelten Unterwasser, Polar und Wald präsentiert und auf Täfelchen mit biologischem Duktus beschrieben wie Tiere an Zoogehegen. Ein anderer Teil der Ausstellung widmet sich dem dokumentarischen Tierfilm, den die Brüder Skladanowsky 1895 mit Das boxende Känguru begründeten und aus dem später Bernhard Grzimek, Heinz Sielmann oder Horst Stern ein populäres Genre machten. "Tierdokus haben viel mit Basteln, Eigenbau und Improvisation zu tun", sagt Könnicke und verweist auf ein Vogelei, das Defa-Tierfilmer Siegfried Bergmann mit einer Miniaturkamera ausstattete und in ein Nest legte.

Das Filmgeschäft ist für Tiere eine Tortur. Wer soll ihnen verdenken, wenn sie durchdrehen?

Und dann waren da die tierischen Stars. Jene Hauptdarsteller, deren Namen Generationen kennen, im Gegensatz zu denen ihrer menschlichen Filmpartner. Lassie kennt jeder, aber wie hießen denn gleich noch mal die diversen Herrchen und Frauchen des Film-Collies? "Es gibt Fälle, wo ein Tier höhere Gagen bekam als jeder Schauspieler", sagt Könnicke. Manche wurden gar gedoubelt. Highland Dale alias Black Beauty musste sich nicht für die einfachen Szenen hergeben, in denen der pechschwarze Gaul nur durch das Bild geführt oder geritten wurde.

Das richtige Tier für die jeweilige Rolle suchten spezielle Casting-Agenturen (und nahmen es dabei regelmäßig mit dem Geschlecht nicht so genau). Manche, wie der berühmte Kater in Frühstück bei Tiffany's, sammelten reichlich Filmerfahrung. "Orangey", so hieß er im normalen Tierleben, galt als ausgesprochen launisch, bissig und manchen deshalb als gemeinste Katze der Filmwelt. Gleich zweimal gewann Orangey den Patsy Award, den Oscar für tierische Filmschauspieler. Außer mit Audrey Hepburn drehte er auch mit Mickey Rooney und Boris Karloff, wobei sich hartnäckig das Gerücht hielt, das Vieh habe seiner aggressiven Launen wegen mehrfach gedoubelt werden müssen.

Doch wer soll es den Tieren auch verdenken, wenn sie durchdrehen in diesem Filmgeschäft? Denn was auf Menschen glamourös wirkt, war für sie in Wahrheit eine Tortur. Viele kamen ums Leben, wie jene namenlosen Pferde, die bei Schießereien ihrer Reiter in Westernfilmen über unsichtbare Stolperdrähte stürzen mussten. Filmtiere wurden zu allen Zeiten nicht nur dressiert, sondern gedrillt, geschlagen und gequält. Und reagierten mitunter dementsprechend. Dinky, eine der Schimpansinnen, die Tarzans Cheeta verkörperte, soll Hauptdarsteller Mike Henry 1966 krankenhausreif geprügelt haben.

Die Fürther Ausstellung widmet sich all dem nachdenklich, ohne es aber mit dem Belehren zu übertreiben. Etwa mit einem Spot der Tierschutzorganisation Peta, den Könnicke unter die hübschen Werbefilmchen gestreut hat. In dem Clip übernehmen Menschen die Rolle von Filmtieren und werden entsprechend behandelt. "Heute ist es eigentlich überflüssig, echte Tiere zu nehmen", sagt Könnicke. Computeranimationen tun es auch und der Unterschied ist nicht mehr erkennbar.

Den meisten Darstellern berühmter Tierrollen brachten selbige ohnehin kein Glück. Das gilt auch für Mitzi, Suzy, Cathy und Bebe, die ersten Flipper-Darsteller. Allen vieren war kein langes Leben beschieden, von einem der Tiere hält sich das Gerücht, es habe sich selbst getötet, in dem es einfach aufhörte zu atmen. Ihr Trainer und Dompteur für die Filmrollen hatte am Ende jedenfalls genug. Richard O'Barry wurde zum radikalen Tierschützer.

Die Sonderausstellung im Rundfunkmuseum Fürth ist bis Mitte März 2018 geöffnet. Details unter rundfunkmuseum.fuerth.de.

© SZ vom 26.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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