Wolfgang Joop:Retter der Feinripp-Unterhose

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Wolfgang Joop hat sich schon als Schauspieler, Restaurator und Designer von Stützstrümpfen versucht. Jetzt ist er überzeugt: Joop kann Schiesser retten.

Tanja Rest

Bevor der Mann wurde, was er ist, studierte er Werbepsychologie und Kunsterziehung, er arbeitete als Restaurator, Moderedakteur und Schauspieler. Nachdem der Mann wurde, was er ist, schrieb er einen Roman, liebäugelte mit der Politik (FDP), spielte in einem Oskar-Roehler-Film eine Hauptrolle, entwarf ein Meissener Porzellan-Service und kaufte in Potsdam ein Restaurant.

Wolfgang Joop will Schiesser sexy an die Börse bringen. (Foto: dpa)

Was soll das sein, ein Lebenslauf? Wohl eher eine Aneinanderreihung von Wiedergeburten, mal mehr geglückt und auch mal weniger. Es steckt ja eine Gefahr in dieser Biographie, etwas Unstetes, Sprunghaftes, die lebenslange Angst vor der drohenden Langeweile.

Niemals innehalten. Bloß nicht bequem werden! "Ich bin Avantgarde", sagt er über sich selbst, "und das ist wie bei der Armee: Wenn du vorne läufst, trifft dich die Kugel eben als Ersten." Den unternehmerischen Mut, die Lust an der kreativen Selbsterprobung wird ihm keiner absprechen, und schon gar nicht die Energie, die 1982 in ein höchst plakatives Ausrufezeichen geflossen ist: "JOOP!"

Wolfgang Joop, 1944 in Potsdam geboren, hat seine Bestimmung spät gefunden. Die Marke, mit der er seinen Namen so schicksalhaft verknüpfte und für die er in Anzeigen zu gern den Kopf hinhielt, katapultierte ihn in die erste Liga der deutschen Designer - auf Augenhöhe mit Karl Lagerfeld und Jil Sander. Seine Mode war wie er selbst: gradlinig, körperbewusst, narzisstisch.

Aufsehen erregte in den Achtzigerjahren die Linie für den deutschen Mann, der laut Joop immer noch "wie ein abgetauter Kühlschrank" rumlief. Auf diesem Lebenswerk mit seiner ständig wachsenden Produktpalette hätte er sich ausruhen können. Nach einem Zerwürfnis mit dem Miteigentümer, der Hamburger Wünsche AG, verkaufte er jedoch 2001 seine letzten Anteile und fing noch einmal von vorne an.

Geringe Stückzahlen, hohe Fertigungskosten und deutschlandweit nur drei Boutiquen: Ob das 2003 in Potsdam geborene Label "Wunderkind" profitabel ist, weiß keiner so genau. Künstlerisch aber ist es ein Triumph. Die Kollektionen werden in Paris und New York gezeigt - subtiler Glamour für Charakterfrauen, die Mut haben zur Extravaganz und den dazu passenden Geldbeutel.

Der Mann dahinter bleibt natürlich trotzdem im Vordergrund. Das ganzjährig sonnengebräunte Gesicht von Wolfgang Joop war immer auch ein Scheinwerfergesicht: TV-Talker und Interviewer reißen sich um ihn, weil er begeistert Klartext spricht, scharfsinnig ist und amüsant - er mag sich ja selbst nicht langweilen und seine Zuhörer schon dreimal nicht.

Dass sich Joop nun an Schiesser beteiligen, die insolvente Unterwäschefabrik sogar an die Börse bringen will, hat dann doch einige vor den Kopf gestoßen. Ein internationaler Designer als Retter der deutschen Feinripp-Unterhose? Das ist so weit hergeholt, dass es ihn zwangsläufig inspiriert. Hat er nicht schon Stützstrümpfe designt und allen erzählt, er habe nun "Champagner in den Venen"? Der Schiesser-Gläubigerausschuss soll Ende Juni entscheiden, ob Joop der Richtige ist. Er selbst ist da frei von Zweifeln: "Calvin Klein hat weiße Unterhosen zu einem sexy Item gemacht, das kann ich ja wohl auch."

© SZ vom 02.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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