Von Paten und Trauzeugen:Die Tauf-Masche

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Wir sind alle eine große Familie: In einer Welt, die geprägt ist von Orientierungslosigkeit und Unsicherheit, taugt das System der Trauzeugen und Taufpaten noch immer als gesellschaftlicher Kitt. Mit einem (unvollständigen) Who is Who.

Martin Zips

Im Lexikon kommt Pate gleich nach Patchwork, und das kann ja kein Zufall sein. Auf der einen Seite Flickwerk, mehr oder minder schlecht miteinander verwoben, mürbe, anfällig und meist aus der Not heraus geboren. Auf der anderen Seite das Beständige.

Eine einzige, große Familie - irgendwie steht jeder mit jedem in Verbindung. (Foto: N/A)

Der Pate als Leitfigur, Garant und Retter in der Not. Wichtig gerade für jemanden, der noch jung ist und nach Orientierung sucht.

Zum Beispiel die kleine Grace, die mit acht Jahren an ziemlich genau der Stelle im Jordan getauft wurde, an der Jesus von Johannes dem Täufer getauft worden sein soll. Ihr Vater: Der greise britische Medienmogul Rupert Murdoch, in dessen Zeitungsredaktionen gerne auch mal Telefonate abgehört werden. Ihre Mutter: Murdochs dritte Ehefrau, die mit Vornamen ähnlich heißt wie eines dieser Hefte, die Patchwork-Mädchen gerne lesen: "Wendi".

Wendi (Deng) Murdoch hat kürzlich deutlich anklingen lassen, wen sich Rupert und sie für die kleine Grace im Jahr 2010 als Taufpaten ausgesucht haben: den ehemaligen britischen Premier Tony Blair, die Schauspieler Hugh Jackman und Nicole Kidman.

Kidman, Jackman, Jordan, Blair - das kann für Grace nur heißen: Führe ein christliches Leben, lege Wert auf ein gepflegtes Äußeres, und vergiss nie, dass Du gerade in der Politik gute Freunde hast.

Egal, wie säkular die Welt auch sein mag, das System der Trauzeugen und Taufpaten taugt noch immer als gesellschaftlicher Kitt. Die Gemeinschaft Diekmann, Kohl und Kirch etwa - das kann man in der Graphik sehen - hat sich durch diverse Zeugenschaften blutsbrüderhaft bis in alle Ewigkeit miteinander verschweißt.

Auch die Familien von Elton John und Victoria Beckham verfügen über Bande, dick wie Stahlseile. Allein Michael Jackson dürfte sich zu Lebzeiten vor den Traualtären und Taufbecken dieser Welt noch besser vernetzt haben.

Und wer hätte geahnt, dass die Frau von Oliver Pocher das Patenkind vom Friseur ist, dessen Trauzeugin die Chefredakteurin . . . ? Da sind die Wege kurz. Mindestens so kurz wie bei Wirtschaftsminister Philipp Rösler, der nach seiner Taufe im Jahr 2000 seine Patentante zur Frau nahm. Das freilich könnte auch Liebe gewesen sein.

© SZ vom 10.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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