Ultras:Raserei am Rasenrand

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Zum Glück unleserlich: In der Bayern-Fankurve kam es zu derart wüsten Beleidigungen, dass die Spieler aus Protest nur noch rumkickten. (Foto: imago images/Bernd König)

Zwischen Fans und Fußball-Bund kracht es gerade gewaltig. Immer wieder kommt es zu wüsten Beleidigungen im Stadion. Wie soll man damit umgehen? Und was steckt hinter der Wut der Fans?

Von Christoph Leischwitz

Etwa vergangenen Samstag bei der TSG Hoffenheim: Da hielten Fans des FC Bayern Plakate mit Beleidigungen hoch, die waren so fies, dass man sie hier nicht wiederholen darf. Ihr Ziel: der Hoffenheimer Geldgeber Dietmar Hopp. Das war zwar nicht das erste Mal. Diesmal aber saß Hopp persönlich im Stadion.

Seitdem geht es nicht mehr um Traumtore oder Glanzparaden, sondern um Fragen jenseits des Platzes: Warum machen die Fans so etwas eigentlich? Warum immer gegen diesen Hopp? Und wieso geht die Polizei nicht einfach in die Kurve und verhaftet die Leute, die Menschen beleidigen und sogar bedrohen?

Die letzte Frage ist schnell beantwortet: Die Polizei befürchtet riesige Schlägereien, wenn sie einen Block stürmen würde. Es käme vermutlich zu einer Massenpanik, bei der viele Unschuldige zu Schaden kommen könnten. Das alles nur für ein paar Plakate? Lieber nicht. Aber warum machen die Fans das?

"Fan" ist die Kurzform für das englische Wort "fanatic". Im Lexikon dazu steht: "Unduldsamer Verfechter einer Überzeugung." Also jemand, der keine Rücksicht auf Gegner nimmt. Das macht die fiesen Beleidigungen nicht besser. Aber überrascht sein muss man nicht, wenn sich Fans danebenbenehmen. Seit Fußball gespielt wird, schimpfen und fluchen die Fans. Auf Schiedsrichter, gegnerische Spieler, Vereine. Früher gab es auch noch viel mehr Schlägereien. Heute stehen in der Kurve oft "Ultras". So nennen sich die Fans, die in der Kurve für Stimmung sorgen. Sie schwenken riesige Fahnen und stimmen mit Megafonen Gesänge an. Aber auch sie machen verbotene Sachen. Leuchtrakete schießen etwa, Böller zünden. Oder eben auf Spruchbänder schreiben, wen sie alles nicht mögen. Der größte Feind ist für sie der Deutsche Fußball-Bund (DFB).

Angefangen hat dieser Streit schon vor mehr als 20 Jahren. Damals wehrten sich Fans dagegen, dass der DFB immer mehr Fußballspiele vom Samstag weg verlegte. Für Fans, die ihre Mannschaft auch auf Auswärtsspielen anfeuern wollen, ist das ein Problem: Wer am Freitag arbeiten muss, schafft es am Abend nicht mehr zu einem 500 Kilometer entfernten Spiel. Und nach einem Sonntagsspiel müssen viele am Montag müde in die Arbeit gehen.

Für den DFB haben die neuen Termine Vorteile, denn er bekommt mehr Geld von den Fernsehsendern und Streamingdiensten. Wenn nicht alle Spiele gleichzeitig laufen, können nämlich viel mehr Menschen die Spiele live angucken. Mehr Zuschauer bedeuten mehr Einnahmen. Von diesem Geld geht viel auch an die Vereine. Sie werden reicher, können sich bessere Spieler kaufen.

Die Fans aber haben Angst davor, dass irgendwann nur noch das Fernsehgeld zählt und nicht mehr das Erlebnis im Stadion. Tatsächlich sind die erfolgreichsten Teams in Spanien oder England mit reichen Besitzern auf der ganzen Welt beliebt - aber im Stadion herrscht immer weniger Stimmung.

Der DFB aber ist überzeugt, dass alle etwas davon haben, wenn der deutsche Fußball besser wird. Zum Beispiel RB Leipzig: Vor zehn Jahren spielte der Verein noch in der fünften Liga, zurzeit ist er sogar in der Champions League sehr erfolgreich. Die erste Mannschaft gehört dem Getränkehersteller Red Bull. Das sei unfair, sagen Fans anderer Klubs. Manche bedrohen sogar die Geldgeber, die hinter reichen Vereinen stehen.

Darauf reagiert der DFB scharf. Anhänger von Borussia Dortmund durften einmal überhaupt nicht mehr ins Stadion kommen. Dabei wurden auch Fans ausgesperrt, die gar nichts getan hatten. Das ist ungefähr so, wie wenn ein Schüler sich danebenbenimmt und dann die ganze Klasse mit extra Hausaufgaben bestraft wird.

Vor zwei Wochen hat der DFB noch mal eine solche "Kollektivstrafe" verhängt. Deswegen ist der Streit jetzt eskaliert. Die einen sagen: Jetzt erst recht! Wir beleidigen, was das Zeug hält, sonst hört uns keiner mehr zu. Die anderen finden: Ihr seid doch selbst schuld! Hört einfach auf damit, und gut ist es.

Vielleicht hilft am Ende nur Humor? In Frankfurt etwa haben die Fans ein riesiges Transparent hochgehalten, Richtung Trainer: "Meld dich, wenn du 'ne Spielunterbrechung brauchst!" Damit veräppeln sie zwar den DFB und seine Regeln - aber eben auch ein bisschen sich selbst.

© SZ vom 07.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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