Thema der Woche:Wer bin ich?

Lesezeit: 1 min

Ein richtiges Porträt braucht einen richtigen Rahmen, oder? Illustration: Claudio Pedraza (Foto: N/A)

Das ist eigentlich ein lustiges Spiel mit Zetteln auf der Stirn, viel Raten und mindestens so viel Lachen. Es ist aber auch eine wichtige Frage für jeden Menschen, die erstens gar nicht so leicht zu beantworten ist und zweitens immer auch ein bisschen offen bleibt.

Von Silke Stuck

Das Spiel ist perfekt für diese langen Abende jetzt: Jeder bekommt einen Klebezettel mit dem Namen einer bekannten Person auf die Stirn gepappt. Danach muss man durch möglichst schlaue Fragen möglichst schnell rausfinden: Wer bin ich?

Das ist auch ohne Post-it auf der Stirn eine spannende Frage. Zumal wir ohne Ich-Gefühl ins Leben starten: Erst zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr erkennen sich Babys im Spiegel. Dann sagen sie zum ersten Mal "ich". Später bringen sie sich mit bestimmten Eigenschaften in Verbindung: Ich bin lustig, ich bin schnell, ich kann super trösten. Dieses Selbstbild hat auch viel mit Bewertungen von anderen zu tun: Sie lachen über unsere Witze, verlieren Wettrennen, erzählen von ihren Problemen. Daher sollte man unbedingt gute Menschen um sich herum haben, denn zeitlebens bleiben wir eine wilde Mischung aus beidem: dem Gefühl für uns selbst und der Art, wie andere uns sehen.

In der Forschung hat man lange gedacht, dass wir als unbeschriebenes Blatt auf die Welt kommen. Heute weiß man es besser: Es ist schon jede Menge da, wenn wir geboren werden. Programmiert in unseren Werkseinstellungen, den Genen. Etwa 30 000 davon hat jeder Mensch. In ihnen ist zum Beispiel festgelegt, welche Augenfarbe wir haben, welchen Körperbau, Intelligenz und Neigungen - leider auch zu Krankheiten. Unsere Bedienungsanleitung hingegen bleibt ein lebenslanges Heft zum Weiterschreiben. Unsere Herkunft, die Menschen um uns herum und all unsere Erfahrungen mischen sich dazu, unterstreichen manches und radieren anders weg (doch kein Klaviergenie, schade).

Mit etwa 30 Jahren, sagen Forscher, ist die Persönlichkeit fertig geformt. Das heißt aber nicht, dass man nichts mehr ändern kann. Wir haben unser So-bin-ich-Heft ein Leben lang in der Hand. Jetzt also mal ohne Klebezettel in den Spiegel schauen: Wer bist du?

© SZ vom 07.01.2023 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: