Thema der Woche:Wahlzahl

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Illustration: Adam Higton (Foto: N/A)

Wer heute zwölf ist, darf Wunderkerzen kaufen, ohne Kindersitz vorn im Auto mitfahren, mit dem Fahrrad auf die Straße. Und er soll den nächsten Bundestag mitbestimmen dürfen. Da sind sich die Wahlgewinner ziemlich einig.

Von Nina Himmer

Mit zwölf Jahren darf man alleine auf der Straße Fahrrad fahren, Wunderkerzen und Knallerbsen kaufen, ohne Kindersitz vorne im Auto sitzen und vielleicht bald das Gefühl genießen, bei der nächsten Bundestagswahl eine Stimme zu haben. Die drei Parteien, die gerade die besten Chancen auf die neue Regierung haben - SPD, Grüne und FDP - wollen das Wahlalter nämlich auf 16 Jahre senken. Alle, die heute zwölf sind, könnten dann schon bei der nächsten Wahl mitbestimmen, wer Chefin oder Chef von Deutschland wird.

Das finden viele gut, weil es ein heftiges Ungleichgewicht zwischen jungen und älteren Wählerinnen und Wählern gibt: Von den rund 60 Millionen Wahlberechtigten ist aktuell nur jeder 30. jünger als 21 Jahre. Das ist so, wie wenn in einer ganzen Schulklasse nur ein Einziger eine Stimme hätte. Ausgerechnet diejenigen, die am meisten Zukunft vor sich haben, dürfen am wenigsten mitgestalten. Das ist ein Problem, weil jungen Menschen oft andere Dinge wichtig sind als älteren. Zum Beispiel die Umwelt, schnelles Internet und bezahlbare Wohnungen. Könnten sie früher mitbestimmen, würde das den Einfluss der Altersgruppen auf die Politik ein wenig ausgewogener machen.

Es gibt aber auch Gemecker: Manche finden Jugendliche noch nicht reif genug zum Wählen. Aber ist eine politische Meinung wirklich eine Frage des Alters? Haben Jugendbewegungen wie "Fridays for Future" der Politik nicht ordentlich Dampf gemacht? Andere kritisieren, dass FDP und Grüne sich durch die Reform nur selbst stärken wollen - beide Parteien werden besonders oft von jungen Menschen gewählt. Ein Argument, das man auch gut umdrehen kann: Dass die Union das Wahlalter bisher nicht senken wollte, könnte viel damit zu tun haben, dass sie davon nicht profitieren würde. Manchen gilt die CDU/CSU sogar als GroßelternPartei. Das alles sollte also keine Hürde sein.

Und doch gibt es eine Hürde, eine ziemlich große sogar: Das Wahlalter ist im Grundgesetz festgeschrieben. Um es zu ändern, braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag. In einer Schulklasse hieße das: 20 von 30 müssten dem Vorschlag zustimmen. So was ist ganz schön kompliziert, es bräuchte dafür Stimmen von anderen Parteien. Wenn es aber klappt, wäre das ein Grund zum Feiern - vielleicht mit einem Knallerbsenkonzert und ein paar Wunderkerzen

© SZ vom 23.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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