Thema der Woche:Rupfglück

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Viele halten ihn für ein Unkraut und verpassen dabei die Blume der Saison. Löwenzahn kann Asphalt sprengen, kilometerweit fliegen, sogar ein bisschen die Zukunft voraussagen. Über einen knallgelben Alleskönner.

Von Georg Cadeggianini

"Bettscheißerle" - vielleicht beginnt man mit diesem komischen Namen. So wird Löwenzahn in Schwaben genannt. Weil die Blüten so krasse Flecken machen? Oder weil Tee aus den Blättern harntreibend wirkt, einen also leichter pinkeln lässt? Auf Französisch jedenfalls heißt er so ähnlich, "pissenlit", wobei "lit" Bett heißt ...

Egal. Der Löwenzahn (dieser Name kommt von den spitz gezähnten Blättern) ist ein Alleskönner. Aus seinen Wurzeln kann man Kaffee kochen, Autoreifen herstellen (bis zu 15 Prozent sind Kautschuk) oder eine Tinktur gegen Nullbockstimmung anrühren. Momentan leuchtet er überall knallgelb. Auf Wiesen, aus Gehwegritzen, von Mauervorsprüngen. Er ist der Frühling!

Man kann ihn sich als Blütenuhr ums Handgelenk knoten ("Wie spät ist es?" - "Gelb"), die Stängel zu Rohrsystemen zusammenstecken, der Freundin ins Gesicht katapultieren (mit dem Daumen die Blüte über den Zeigefinger schnipsen). Mit bis zu 20 Bar sprengt sich Löwenzahn sogar durch Asphalt. Das ist fünf mal so viel wie in einem Fahrradreifen. Blüht er einmal, lässt er ein paar Tage später schon seine Samen kilometerweit fliegen. Und das mit einem Schirmchen, das so aussieht, als ob jemand den Stoff für den Fallschirm vergessen hätte. Kann man damit wirklich fliegen? Allerdings. Sogar viermal besser als mit einem geschlossenen Schirm: Die Härchen erzeugen einen Luftwirbel, der das Flugobjekt immer wieder nach oben saugt.

Die Pusteblume ist, glauben manche, auch ein Freundesorakel. Das funktioniert so: Das größte Exemplar der Wiese suchen, vorsichtig abrupfen, tief Luft holen, aus zwei Schritt Entfernung pusten. Danach muss man nur noch abzählen. Je nachdem wie viele Samen im T-Shirt des Freundes oder der Freundin hängen geblieben sind, so viele Geheimnisse hat sie, so lang dauert es noch bis zum nächsten Urlaub, so viel Rotzpopel hat er heute schon gegessen...

© SZ vom 30.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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