Thema der Woche:Licht am Stiel

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Kerzen haben ihren eigenen kleinen Heiligenschein. Illustration: Emma Crockatt (Foto: N/A)

Ein Fest ohne Kerzen ist wie eine Breze ohne Salz, wie eine Schneeballschlacht ohne Handschuhe, wie Kekse ohne Zuckerguss. Über das Flackerglück an Weihnachten und was Kerzen Glühbirnen grundsätzlich voraushaben.

Von Silke Stuck

Vorsichtig tippt die Fingerspitze in den farbigen See. Heiß ist das, lieber wieder raus. Für einen magischen Erstarrungsmoment gehören Wachs und Fingerkuppe zusammen. Wie fühlt sich die Welt an durch diese dünne maßgefertigte Schicht? Wer kriegt die Kuppe als Ganzes ab? Ist der Fingerabdruck innen zu sehen?

Wer Kerzen erfunden hat, ist ungeklärt. Manche sagen, es habe sie schon vor Tausenden Jahren gegeben: Tierfett und ein trockener Zweig in eine Schüssel, fertig. Das stank und rußte fürchterlich, am Wachspopeln waren die Kerzenerfinder wahrscheinlich auch schon. Weiterentwickelt haben das dann die Römer, Kerzen bekamen eine Form, konnten fortan selbst und aufrecht stehen. Allerdings musste der Docht, der flüssiges Wachs anzieht wie Pommes das Fett, noch lange Zeit von Hand gekürzt werden, weil er sich früher, anders als heute, nicht selbst zur Seite drehte und verglühte. Das brachte einen eigenen Beruf hervor - den Wachsschneuzer. Den konnten sich aber nur Reiche oder Kirchenleute leisten, denn früher gab es Kerzen nicht in jedem Supermarkt. Sie waren ein echtes Luxusding. Deshalb dauerte es auch eine Weile, bis sie den Weihnachtsbaum eroberten. Dort gilt das Licht zwischen Strohsternen und Weihnachtskugeln bis heute als Symbol der Hoffnung.

Vor 200 Jahren schuf man in Schweden einen Wachsriesen, hochhausgroß, knapp 24 Meter, Durchmesser fast drei. Wie lange diese größte Kerze der Welt brauchte, um abzubrennen? Nicht überliefert. Keine Frage: Die Welt war dunkler vor der Erfindung der Kerze. Noch immer machen wir es uns damit hell und gemütlich zugleich - das schafft keine Glühbirne. Kerzen sind wie ein Mini-Lagerfeuer für drinnen, Flackerglück am Stiel. Sobald sie brennen, wird es augenblicklich heimeliger, ruhiger, zauberhafter. Und wo man am Feuer Scheite nachlegt oder Stockbrot macht, muss man an Kerzen nun mal wachspopeln. Frohe Weihnachten!

© SZ vom 24.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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