Thema der Woche:Himmelfahrtskommando

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Wer sieht was und wird von wem bemerkt? (Foto: N/A)

Ein riesiger Ballon fliegt quer über Amerika. Die USA holen ihn mit einer Rakete vom Himmel und klauben ihn aus dem Meer. Sie sind sich sicher, Teile eines chinesischen Spionageprogramms abgeschossen zu haben.

Von Georg Cadeggianini

Ein Loch in der Zeitung zum Beispiel ist super. Erbsenklein, gleich hier oben drüber, vielleicht da wo der blaue Traktor fährt? Dann den Kopf wieder dahinter stecken und so tun, als ob man liest. Was wohl im Wohnzimmer passiert? Beim Spionieren geht es mindestens um zwei Dinge: Nah dran sein und unauffällig bleiben.

Insofern klingt es erst mal wie eine ziemlich blöde Idee, einen riesigen Ballon über die USA zu schicken, um deren Geheimnisse auszuspionieren. 61 Meter groß soll der chinesische Ballon gewesen sein, das ist sechs Meter mehr als der schiefe Turm von Pisa! Er war höher als ein Flugzeug unterwegs, bis zu 20 Kilometer über der Erde. Altmodisch, superauffällig und irgendwie das Gegenteil von nah dran: Soll das etwa moderne Spionage sein? Es sei doch nur ein Forschungsballon gewesen, beteuert China, ein bisschen vom Kurs abgekommen, sorry! Die USA haben ihn erst mal quer über ihr Land gondeln lassen, bevor sie ihn mit einer 380 000-Euro-Rakete doch vom Himmel holten. Wie zerfetzte Taschentücher trudelten die Ballonreste Richtung Atlantik.

Die Uraltspionage-Ballon-Taktik wurde das erste Mal im amerikanischen Bürgerkrieg vor etwa 160 Jahren eingesetzt. Gegenüber Satelliten haben sie einige Vorteile: Sie sind billig, für Radargeräte nahezu unsichtbar, und sowohl näher dran als auch länger dabei. Experten vergleichen das gern mit einem Fußballspiel: Ein Satellit kann mit viel Glück das Bild vom Torschuss liefern, ein Ballon dagegen liefert die komplette Halbzeit - inklusive Ton.

Als US -Behörden, direkt nach dem Abschuss, das Gespräch mit chinesischen Kollegen gesucht haben, seien die einfach nicht rangegangen. Ein Spiontrick, Ablenkungsmanöver oder doch verschnupfte Wetterforscher? Wie man jetzt die ohnehin ramponierten Beziehungen zwischen den USA und China wieder flottkriegt, wird wohl ein Balanceakt. Oder besser: ein Ballonsakt.

© SZ vom 11.02.2023 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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