Thema der Woche:Großer Wirbel

Lesezeit: 1 min

Seit Freitag läuft die Weltmeisterschaft in Stuttgart. Die Athletinnen und Athleten springen, drehen, strecken sich. Aber wer hat sich Turnen eigentlich ausgedacht?

Von Nadine Regel

Wenn es ums Turnen geht, denkt jeder an etwas anderes. An Rolle vorwärts und Strecksprung vielleicht, an lustige Trampolinstunden, die blauen Matten mit den ockerfarbenen Lederecken (werden die eigentlich je gereinigt?) oder den Luftstoß, den die Weichbodenmatte in die Halle drückt, Sekunden nachdem man den Gurt von der Wandbefestigung gelöst hat. Oder an Gefängnis.

Bitte? Wer denkt beim Turnen schon an Gefängnis? Ziemlich genau vor 200 Jahren gab es eine Zeit, in der Turnen offiziell verboten war. Sportplätze wurden abgerissen, Turngeräte verschrottet. Die Menschen trafen sich heimlich zum Turnen. Und wer erwischt wurde, musste mit einer Gefängnisstrafe rechnen.

Das klingt ein bisschen verrückt. Aber man muss wissen, dass es in den Turnvereinen damals nicht nur um Sport ging. Viele Männer machten sich dort auch fit für den Kampf. Sie waren gegen die Besatzung durch Napoleon, gegen die vielen kleinen Fürstentümer, für ein geeintes Deutschland. Turnen war hochpolitisch. Weil die Machthaber damals fürchteten, dass die Turner einen Krieg anzetteln könnten, verboten sie das Turnen.

Trotzdem ist es eine deutsche Erfindung: Als Geburtsjahr des Turnens wird 1811 angegeben, als Erfinder der Lehrer Friedrich Ludwig Jahn. Nach langen Wanderungen hat er sich mit Schülern zu öffentlichen Übungen getroffen, hat Reck und Barren eingeführt - und den Schulsport. Turnen war früher so etwas wie Fußball heute: ein absoluter Breitensport. Noch lange Zeit verstand man unter dem Begriff Turnen einfach Sport: Es gab Turnbeutel und keine Sportbeutel, Turnhallen statt Sporthallen, Turnlehrer und keine Sportlehrer.

Seit Freitag kämpfen Athletinnen und Athleten bei den Weltmeisterschaften um Gold - diesmal in Stuttgart. Hier in Deutschland ist der Sport, egal ob Boden- oder Geräteturnen, noch immer sehr beliebt. Nur der Fußballverband hat mehr Mitglieder.

© SZ vom 05.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: