Das Gelände könnte aus dem Spiel Minecraft sein: geschliffener Stein, durchsetzt von Stufen, alles glatt, kein Pixel liegt herum. Ein bisschen wie in einem brandneuen Einkaufszentrum sieht das aus, bloß dass jemand zwischen den ganzen Treppen, Geländern und Rampen das Gebäude vergessen hat. Willkommen zu Street, einer von zwei olympischen Skateboarddisziplinen: Zwei mal 45 Sekunden Show übers Gelände, danach drei Versuche, einen Trick einzeln vorzuführen. Das ist der Rahmen.
Genau 16 148 Medaillen wurden in den Sommerspielen in den letzten 125 Jahren verliehen. Die meisten davon, etwa jede sechste, ging in die USA, jede zehnte nach Russland, jede zwölfte nach Deutschland. Durchschnittsalter der Medaillenträger, etwa bei den letzten Spielen: 25,7 Jahre. Aber Statistik ist eins.
Skateboarden ist anders. Diese Woche auf dem Siegertreppchen der Frauen: zweimal Japan, einmal Brasilien. Durchschnittsalter: 14,52. Am Mittwoch geht es weiter im Halfpipegelände. Mit dabei: Lilly Stoephasius, 14, aus Berlin, die Jüngste im deutschen Olympia-Team. Das junge, freie Lebensgefühl der Skater, immer einen Ollie hoch über dem Asphalt, ist in Tokio das erste Mal dabei.
Da sind neue Geräusche: das Kratzen, wenn das Board aufsetzt, das kirchturmgleiche Dongen, wenn die Achse gegen das Geländer schlägt, das dumpfe Poltern, wenn jemand hinfällt. Da sind neue Namen: Handläufe heißen rails, Schrägen banks und hubbas sind anspringbare Betonkanten. Skateboarden ist hier ein ruhiger, konzentrierter Sport. Viele hören Musik beim Fahren. Ungewohnt sieht das aus, wie verstöpselte Außerirdische brettern sie quer durch die Olympia-Welt.
Am Ende von Street sucht Rayssa Leal aus Brasilien Momiji Nishiya aus Japan. Silber umarmt Gold. Zwei 13-Jährige. Sie geben sich die Faust, geerdet, lachen. Eine Zahnspange blitzt. Skateboard tut Olympia gut. Aber: Stimmt das auch umgekehrt?