Thema der Woche:Ganz Ohr

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Und wem hörst du gern zu? Illustration: Maria Midttun (Foto: N/A)

Was man sagt und wie man es sagt, darauf wird sehr geachtet. Beim Homeschooling, am Essenstisch mit der Familie, am Telefon mit Freundinnen und Freunden. Dabei ist mindestens genauso wichtig: gut zuhören können.

Von Silke Stuck

Den ganzen Tag murmeln die Eltern rum: Tu dies oder das ... Hast du etwa noch nicht ... Wir müssten mal ... - und die Ohren gehen in den Lockdown. Hat da überhaupt jemand was gesagt? Der Freund am Telefon labert und labert - muten? Und Schul-Videokonferenzen werden anstrengend, wenn alle das Mikro offen haben.

Haben wir mit voller Absicht genau zwei Ohren, aber nur einen Mund? Damit wir doppelt so viel zuhören wie reden? Das haben griechische Philosophen schon vor 2000 Jahren gesagt. Klingt nicht komplett abwegig, irgendwie schön sogar. Vielleicht haben wir das im Laufe der Zeit aus den - hihi - Augen verloren?

Zuhören ist eine Kunst, ein bisschen wie Gold schürfen: Man hat ein Sieb und eine Menge Wasser, Schlamm und Kies. Wenn man zu ungeduldig ist oder schlampig schüttelt, weil man denkt: ist eh nichts drin, nächste Schütte, dann geht einem vielleicht das klitzekleine Goldstück flöten. Wäre ärgerlich, oder?

Ohne Zuhören entstehen eine Menge Missverständnisse. Ganz simpel: ich kriege die Hausaufgaben nicht mit - und später Stress. Oder beim nächsten Streit: Hat der andere das echt so gesagt, wie es bei mir ankommt? Habe ich bis zum Ende zugehört? Bin ich ins Wort gefallen? Ohne Zuhören kriege ich nicht mit, was dem Freund wichtig ist, was Mama schön findet, womit die Schwester Probleme hat.

Eine neue Lieblingsapp der Erwachsenen heißt Clubhouse. Das kann man sich vorstellen wie ein Schulgebäude mit vielen verschiedenen Räumen. In jedem wird über ein anderes Thema gesprochen. Überall kann man via Handy zuhören, sich zu Wort melden oder - Lieblingsfunktion - sich heimlich wieder rausschleichen. Es gibt kein Video, keine Chatfunktion, nur die Stimmen. Natürlich nutzen die Erwachsenen Clubhouse vor allem aber wieder für eins: Labern. Dabei könnte es - mindestens doppelt so wichtig - eine Schule sein fürs Hören.

© SZ vom 06.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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