Thema der Woche:Freihändiger

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Geht es freier als freihändig? Ein Fahrrad ist wie ein guter Freund. Durch die Pfütze, den Berg runter... (Foto: N/A)

Rennrad, Downhill, Mountainbike, E-Bike? Kann man alles machen. Der echte Held unter den Rädern ist aber das schnöde Alltagsrad. Das hat mit Flatter­haaren, Freundschaft und der perfekten Geschwindig­keit zu tun. Ein Loblied auf den Sommer auf zwei Rädern.

Von Georg Cadeggianini

Natürlich ist alles, was rollt, irgendwie toll und tricky: Auf dem Skateboard einen Olli machen, sich auf Inlinern um 180 Grad drehen, den Scooter wie einen Kreisel sausen lassen. Äh, und das Fahrrad? Sich im Laufen auf den Sattel schmeißen und erst im Fahren den Ständer einklappen? Freihändig pfeifen? Lenker hochreißen und irgendwie ohne Absteigen aufs Trottoir rauffahren? Na ja, schafft es kaum in einen Actionfilm.

Tatsächlich ist das Fahrrad im Alltag weder Trickmeister noch Spielzeug oder wirklich Sportgerät. Das Alltagsrad ist eher wie ein Freund, der mitgeht - egal wohin: über Wege und Wiesen, Kies und Kopfsteinpflaster, durch Pfützen und Matsch. Es ist ein Begleiter im Alltag, ein Gute-Laune-Macher, ein Sommerwind-durch-die-Haare-Puster, ein Beschleuniger, wenn man mal wieder zu spät dran ist. Jetzt ist die beste Zeit, es wieder rauszuführen.

Das Fahrrad hat eine perfekte Geschwindigkeit. So schnell, dass man gut weiterkommt, immer wieder neue Sachen sieht, und doch so gemütlich, dass man das, was so vorbeizuckelt, schon auch beobachten kann: Bäume, Häuser, Menschen. Mit dem Rad muss man nie auf einen Parkplatz warten, kann jederzeit anhalten. Es hat eine gute Größe. Man ist dabei auf Fußgängeraugenhöhe. Das Rad ist eine Art Neuerfindung des aufrechten Gangs, bloß eben auf Rollen. Und nirgendwo kann man sich das Leben mit zwei einfachen Handgriffen so viel leichter machen als im Radleben. Kette fetten und Reifen stramm aufpumpen: Du wirst fahren wie ein junger Gott!

Es gibt so etwas wie eine Prägungsphase für Sport, sagen Mediziner. Sie liegt zwischen dem siebten und zwölften Lebensjahr. Wer da zum Beispiel einen Ballsport für sich findet, hat gute Chancen auf ein Ballgefühl, das ihn ein Leben lang begleitet. Wer in dieser Phase Rad fährt, der bekommt ein Radgefühl. Freihändig, den Fahrtwind in den Haaren, es surrt - das ganze Leben.

© SZ vom 18.06.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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