Thema der Woche:Du Petze!

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Ausgangssperre, 15-Kilometer-Regel, Maskenpflicht und Abstandhalten: seit Corona gibt es viel mehr Regeln als zuvor. Und eine Menge Menschen, die sich einfach nicht daran halten wollen. Wie geht man damit um?

Von Georg Cadeggianini

Es gehört mit zum Fiesesten, was man so tun kann: die Mitschülerin anschwärzen, den Freund verpfeifen, die Schwester verraten. Weil sie abschreibt, Schokolade stibitzt, plötzlich einen Tiktok-Account hat. Obwohl der doch erst ab 13 ist. "Das gehe ich sagen", heißt es dann. Wer petzt, verlässt das eingeschworene Team, geht direkt zum Sheriff: Mama, Lehrer, Polizei.

Meistens geht es um das doofe Gefühl, dass ein anderer Regeln bricht, an die man selbst sich hält. Ist doch irgendwie unfair, oder? Petzen fühlt sich trotzdem blöd an, und zwar für alle. Das Vertrauen ist plötzlich weg. Wer petzt das nächste Mal? Andererseits erstickt einen auch Zusammenhalten manchmal. Zum Beispiel, wenn einer gemobbt wird oder geschlagen oder was Gefährliches plant. Man kann das selbst ganz gut überprüfen, indem man sich fragt: Kann ich statt "petzen" auch einfach sagen "Ich gehe jetzt Hilfe holen"? Dann ist es allerhöchste Zeit, das auch zu tun.

Auch Erwachsene petzen. Sie nennen das aber anders: "denunzieren". Sie gehen nicht zu Papa oder zur Lehrerin. Sie rufen 110. Meistens wegen Kleinigkeiten, die man, wie beim Petzen auch, besser untereinander geklärt hätte. Lieber erst mal klingeln - "Bitte haltet euch an die Corona-Regeln" - statt gleich die Polizei zu rufen.

Und dann gibt es noch Datenpetzen wie Wikileaks. Das ist eine Plattform im Internet, auf der man Dinge veröffentlichen kann, die geheim sind, die aber trotzdem alle wissen sollten. Dokumente etwa, die zeigen, wie ein Staat seine Gefangenen behandelt. Was im Krieg wirklich passiert. Wer von Firmen geheim Geld bekommt. Viele Staaten finden Wikileaks gar nicht gut. Nestbeschmutzer, meinen sie. Die USA etwa kämpfen gerade darum, den Gründer von Wikileaks, vor Gericht zu stellen. Julian Assange drohen dort bis zu 175 Jahren Gefängnis. Aber ging es nicht um Leben und Tod? Wollte er nicht einfach Hilfe holen?

© SZ vom 16.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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