Ein wenig kommt es einem vor, als würde der Frühling gerade brüllen: "Leute, ich bin auch noch da!" Und eigentlich ist er ja auch die allerbeste Übergangszeit im Jahr. Lockt raus, weckt Vorfreude, entwintert. Zu kalt angezogen, weil es draußen irgendwie wärmer aussah? Mit klammem Hintern zum ersten Mal wieder auf einer Wiese gesessen? Eine noch blassrote Erdbeere probiert? Die Ärmel hochgeschoben und Sonnenkitzeln statt Gänsehaut gespürt? Eis gegessen und sich danach die Finger wieder warmgewaschen? Bald ist es so weit.
Doch dieses Mal ist alles ein wenig anders, der Frühling hat es schwerer als sonst. Denn wir kriechen ziemlich verschattet aus unseren Winterhöhlen. Ein zweiter zäher Corona-Winter liegt hinter uns, und jetzt ist da noch dieser fürchterliche Krieg. Schlurf, Ächz. Reichen da die Massen an lila leuchtenden Krokussen, zarten Weidenkätzchen, putzigen Märzenbechern? Diesen Frühling haben wir uns verdient! Nicht unbedingt so Freedom-Day-Gehabe-mäßig. Aber diesem Gefühl von Viel-Kraft-voraus-Werfen, dem sollten wir unbedingt und ganz besonders nachgeben. Es ist doch so: Im Frühling steckt Wumms. Da ist überall richtig viel Kraft und ein merkwürdiges Drängen, wenn man genau aufpasst und hinsieht: Alles drückt sich hervor, presst sich raus, drängelt, schiebt, will zum Licht: kleine Pflänzchen, dicke Weidenbüsche, kämpferische Grashalme, Blüten über Blüten, nackte Vögelchen. Auch Gefühle wollen, nein, müssen raus. War alles viel zu lang eingesperrt, eingehöhlt, eingeschlafen, wegmaskiert. Los jetzt! Breit grinsen, den ganzen Schulweg lang. Oder in der Stadt versuchen, immer nur auf den Straßenseiten zu laufen, wo die Sonne draufscheint. Ob uns streng biologisch irgendwelche Botenstoffe ein bisschen irre machen oder ob das viele Licht und die neue Wärme dafür verantwortlich sind - eigentlich egal, oder? Das Gefühl stimmt. Und die Kraft können wir auch gut gebrauchen.