"Der hat doch einen Schatten", sagt man, wenn jemand ein bisschen spinnt. "Wo Licht ist, ist eben auch Schatten", trösten manche, wenn mal was nicht so toll läuft. Blödes gehört halt dazu. Und was passiert mit Verbrechern? Richtig, sie werden von der Polizei beschattet. Der Schatten hat einen miesen Ruf, seit Tausenden Jahren. Glaubst du nicht? Geh mir aus der Sonne!
Platon ist einer der berühmtesten Philosophen der Welt. Er lebte vor etwa 2400 Jahren. Sein bekanntester Text ist das Höhlengleichnis. Dort starren Gefesselte, die ihren Kopf nicht drehen können, an eine Höhlenwand. Hinter ihren Rücken werden Figuren vorbeigeführt, die von einem Feuer beschienen werden und - da haben wir ihn wieder - Schatten an die Höhlenwand werfen. Was halten die so Gefesselten, die nie etwas anderes als diese Höhlenwand gesehen haben, für das echte Leben? Sie sind vom Schatten geblendet. Was, wenn man einen von ihnen befreien würde? Er würde es nicht glauben, so Platon, und zurückwollen, zu seinem doofen Schatten, diesem Abklatsch des Eigentlichen.
Dieser Sommer zeigt uns: Die Sonne ist schön. Noch schöner: die Sonne vom Schatten aus. Basecap, Markise, Wolke: Hauptsache Schatten! Ein wenig Kühlung! Es ist ein kosmischer Zufall, dass der Mond von der Erde aus genauso groß erscheint wie die Sonne. Deswegen gibt es die totale Sonnenfinsternis, so etwas wie den Schatten aller Schatten: Am 3.9.2081 ist die nächste in Deutschland, vormerken fürs eigene Rentenalter.
Einen extra Schattennavi gibt es in Barcelona. Man gibt ein, wann man wo hinwill. Das Programm bietet drei verschiedene Grundeinstellungen. Kürzester Weg, einen kurzen mit möglichst viel Schatten und drittens: den Vampirmodus: Hauptsache Schatten, mit teils dramatischen Umwegen. Wo Licht ist, ist auch Schatten? Stimmt meistens. Andersrum stimmt der Satz aber immer: Wo Schatten ist, ist auch Licht.