Thema der Woche:Blingbling

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Wenn Glühwürmchen Bäume wären: Die Wurzeln wachsen übrigens ungefähr genauso tief wie die Krone hoch. (Foto: Andrew Matthews/dpa)

Es ist schon gemein. Kommt man derzeit aus der Schule, dauert es nicht lang und es ist finster. Gut so! Denn diese Monate haben ein eigenes Strahlen, Blinken und Glühen. Über das unvergleichliche Leuchten der dunklen Jahreszeit.

Von Georg Cadeggianini

-. . -- ..-- - .-.. .. -.-. .... Kompliziert? Das ist Morsisch, ein Geheimcode, der mit einem einzigen Signal auskommt. Lang, lang, kurz, Pause und so weiter. Signalgeber kann alles Mögliche sein: Trillerpfeife, Rauchfahne, Triangel. Oder eben Licht. Könnte man sogar fürs Handy programmieren. Man tippt oder spricht rein, die App übersetzt es in Licht, lässt ein Blitzgewitter Richtung Freundin quer durch den Park los. Und ihr Gerät entschlüsselt es dann. Glühwürmchenmessenger!

Es ist auf den ersten Blick ein bisschen widersprüchlich, aber gerade die dunkle Jahreszeit bringt Leuchten in die Welt. Wann bräuchten wir es mehr als jetzt? Baustellenkräne werden zu Gigachristbäumen. Ampellichter glitzern in Pfützen. Plötzlich schaut man fremden Menschen dabei zu, wie sie durch ihre Wohnzimmer stromern, essen, streiten, lachen. Alle hinter Glas, wie Bewohner eines Riesenaquariums. Unbedingt auch mal mit der eigenen Wohnung ausprobieren: Lichter an und von draußen beobachten. Wer schwimmt in deinem Aquarium?

Früher war das mit dem Licht anders. Wenn die Sonne weg war, war es dunkel. Punkt. Künstliches Licht war kostbar. Wenn ein Babylonier vor 3800 Jahren eine Stunde Sesamöllampenlicht haben wollte, musste er dafür durchschnittlich 400 Stunden arbeiten. Um 1800 waren es noch 50 Arbeitsstunden für genug Talgkerzen, heute, mit entsprechenden LEDs weniger als eine Sekunde.

Licht ist in alle Ritzen unseres Lebens vorgedrungen. Von unterbelichtet bis zur Erleuchtung, von Lichthupe bis "Star Wars"-Schwert. In Supermärkten werden etwa die Fleischtheken appetitlich ins rechte Licht gerückt. Die Spezial-LEDs, die manche abfällig " Wurstlicht " nennen, ähneln dabei der Farbtemperatur von Kerzenschein.

Zu Recht. Wenig ist so schön wie eine Kerze daheim: die Flamme beobachten, dieses Miniindoorlagerfeuer, im Wachs popeln, bis Papa schimpft, oder Orangenschalen knapp davor zusammenpressen (Achtung Stichflamme!) und dann genießen, was schon am Anfang auf Morsisch dasteht: gemütlich!

© SZ vom 12.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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