Thema der Woche:Abtauchen

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Immer dem Lichtstrahl nach, eine Lungenfüllung lang. Wie tief komme ich? Illustration: Georgette Smith (Foto: N/A)

Am Ende ist es nur so etwas wie eine Linie, eine Grenze zwischen luftig und flüssig, zwischen trocken und nass. Es ist leiser dort unten, fast schwerelos und irgendwie voller Sommerzauber. Über die magische Weite unter Wasser

Von Silke Stuck

Luft anhalten - und los! Dem Lichtstrahl hinterher, der sich an der Wasseroberfläche bricht. Und dann dieses Allesanders spüren, ab Wasserkante: Die Haare schweben plötzlich, Gesichter verzerren sich zu lustigen Grimassen, Haut wird knallweiß. Unter Wasser wird alles weiter, weicher. Auf die Ohren legt sich eine Art Schwimmhaut, die Welt wird leise.

Der Moorsee neulich etwa, der hatte eine ganz warme Schicht direkt unter der Wasseroberfläche, aber wenige Zentimeter tiefer wurde er eiskalt und grünlich-suppig, gruselig manchmal. Im Meerwasser werden die Dinge schummerig, unscharf wie durch Opas Brillengläser. Der Zauber unter Wasser liegt darin, dass da so viel Verborgenes wartet - ob hinten, zwanzig Meter weiter im Sprungbecken, wo der Grund unerreichbar funkelt. Liegt da eine verlorene Haarspange? Oder im See, wo man das Ende nicht mal erahnen kann. Oder ewig schnorchelnd im Meer. Was das etwa ein Clownfisch?

Überhaupt, dieser Moment im Meer, in dem klar ist: Ab hier ist es jetzt tief. Keine Zehenspitze, die noch irgendwas erreicht. Jetzt tragen nur Wasser und Bewegung.

Zu Hause ist das der Badewannenrand. Von haarspitzenvorsichtig bis zur Tauchchallenge, die dringend gegen ältere Geschwister gewonnen werden muss. Und wenn die Eltern reinkommen mit irgendwelchen Aufträgen: zack, abtauchen, Rauschen auf die Ohren. Ist es das Wasser oder das eigene Blut, das fließt? Die Welt jedenfalls ist weit weg.

Unter Wasser können wir theoretisch drei bis vier Mal so schnell hören wie in der Luft, auch Geräusche, die viel weiter weg sind. Experten vergleichen das Meer mit einer gigantischen Kathedrale, so weit können Schallwellen sich darin ausbreiten. Wale kommunizieren miteinander auf Entfernungen wie zwischen München und Berlin. Was wäre nur, wenn wir Menschen unter Wasser sprechen könnten?

© SZ vom 11.06.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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