Tag der Zahngesundheit:Weiß, bis der Zahn schmilzt

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Schöne Beißer wollten schon die alten Römer haben - und färbten sie mit Harnstoff. Der moderne Bleaching-Wahn aber ist übertrieben.

B. Lutz-Temsch

Walter Leidmann ist Zahnarzt in Eichstätt, außerdem Gutachterreferent der bayerischen Landeszahnärztekammer und zuständig für Patienteninformation und -beratung. Auch in seinem Behandlungszimmer sitzen immer öfter Menschen, die unzufrieden mit ihrer Zahnfarbe sind.

Walter Leidmann (Foto: Foto: privat)

sueddeutsche.de: Warum wollen die Menschen weiße Zähne?

Walter Leidmann: Schon die alten Römer wollten schöne weiße Zähne haben. Die haben ihre Zähne damals mit Harnstoff gebleicht. DasThema Zähnebleichen ist also schon ziemlich alt. Die heutige Modeerscheinung, dieser Bleich-Boom, kommt natürlich aus den USA - dort wollen ja alle weiße Zähne haben. Das gilt als schön, als gesund.

sueddeutsche.de: Ist Bleaching sinnvoll?

Leidmann: Wenn Sie mich fragen, wollen viele Menschen viel zu weiße Zähne haben. Zu weiße Zähne sind aber auffällig und schlicht nicht normal.

sueddeutsche.de: Warum muss man überhaupt zu Bleichmitteln greifen, warum reicht Putzen nicht aus?

Leidmann: Es gibt von Natur aus unterschiedliche Zahnfarben. Bei richtig dunklen kann ich es verstehen, dass jemand sagt: So gefalle ich mir nicht. Aber teilweise haben die Leute ja richtig schöne Zahnfarben. Wir Zahnmediziner haben einen Farbring, der alle vorkommenden Zahnschattierungen zeigt, und oft haben wir Patienten, die farblich genau in der Mitte in diesem Ring liegen und trotzdem ihre Zähne bleichen lassen wollen. Das ist eben gerade eine Modeerscheinung.

sueddeutsche.de: Wann macht Bleaching Sinn?

Leidmann: Man muss unterscheiden zwischen dem Bleaching, bei dem alle Zähne gebleicht werden - das ist das modische Bleichen. Daneben gibt es das sogenannte interne Bleichen, das man vornimmt, wenn zum Beispiel ein wurzelbehandelter Zahn mit der Zeit dunkel wird. Dann passen wir die Farbe dieses einzelnen Zahns wieder der Farbe der ihn umgebenden Zähne an. Oder wenn eine Frau Tetracyclinverfärbungen hat - diese bleibenden Verfärbungen treten auf, wenn Frauen bis zu neun Monate nach der Geburt das Antibiotikum Tetracyclin bekommen. Das sieht wirklich nicht schön aus.

sueddeutsche.de: Der Effekt ist aber auch in diesen Fällen ein rein kosmetischer, kein medizinischer?

Leidmann: Der Effekt ist weiterhin rein kosmetisch, ja.

sueddeutsche.de: Hat Bleaching eine reinigende Funktion?

Leidmann: Nein, gar nicht. Ein Bleichmittel ist ein reines Bleichmittel, wie bei den Haaren auch.

sueddeutsche.de: Wem raten Sie von einem Bleaching ab?

Leidmann: Patienten, die starke Medikamente einnehmen müssen oder schwere Systemerkrankungen haben, sollten lieber nicht bleichen. Schwangeren, stillenden Müttern und allergischen Patienten ist auch abzuraten. Und Patienten, die hypersensible Zahnflächen oder Zahnhälse haben. Denn als Nebenwirkung können die Zähne teils überempfindlich werden.

sueddeutsche.de: Welche weiteren Nebenwirkungen kann es geben?

Leidmann: Das Zahnfleisch kann sich entzünden, außerdem kann es zu Verätzungen des Zahnfleischs kommen. Das sieht dann aus wie eine Nekrose, wie abgestorbenes Gewebe, und ist äußerst unangenehm. Es kann auch passieren, dass das Bleichmittel am Zahn entlang zur Wurzel vordringt. Dadurch kann es zu Wurzelresorptionen kommen.

sueddeutsche.de: Mit welchen Kosten muss man bei einem Bleaching rechnen?

Leidmann: Das kann man nicht generell sagen, denn es wird praxisindividuell berechnet. Außerdem hängt es sehr davon ab, welche Bleichmethode gewählt wird.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche verschiedenen Bleichmethoden es gibt.

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sueddeutsche.de: Welche verschiedenen Methoden gibt es?

Manchmal kann Bleichen durchaus sinnvoll sein. (Foto: Foto: ddp)

Leidmann: Das sogenannte In-Office-Bleaching findet ausschließlich in der Praxis statt. Das geht relativ schnell, ist aber auch die aggressivere Methode. Daneben gibt es die langsamere Methode des Home-Bleachings: Dabei macht der Zahnarzt von der oberen und unteren Zahnreihe zuerst einen Abdruck für eine Schiene und der Patient trägt zu Hause das Bleichgel darin auf. Das dauert länger, ist aber sicherlich schonender.

sueddeutsche.de: Was kann man denn tun, um seine Zähne auf natürliche Weise heller zu halten?

Leidmann: Raucher und Kaffeetrinker haben natürlich schneller Beläge, die die Zähne dunkler erscheinen lassen, aber die verschwinden mit einer professionellen Zahnreinigung normalerweise. Bei einer solchen werden diese Beläge wegpoliert und dann werden die Zähne fluoridiert, damit sie nicht empfindlich werden. Zähne mit Raucherbelägen oder dergleichen sollte man nicht bleichen! Man kann immer nur die Zahnfarbe verändern. Man muss also immer zuerst reinigen, damit man überhaupt sieht, was für eine natürliche Zahnfarbe vorliegt.

sueddeutsche.de: Was ist dran am Gerücht, dass man mit Backpulver die Zähne aufhellen kann?

Leidmann: Keine Ahnung. Das habe ich noch nie probiert. Aber ich würde es auch lieber nicht probieren.

sueddeutsche.de: Was halten Sie von Bleichmitteln, die man in Apotheken zum Bleichen daheim kaufen kann?

Leidmann: Bei solchen Produkten kommt es meistens nicht zu einem befriedigenden Ergebnis.

sueddeutsche.de: Worauf sollte man achten, wenn man sich die Zähne bleichen will?

Leidmann: Die Patienten müssen richtig über die Nebenwirkungen aufgeklärt werden und die Vorsichtsmaßnahmen beim Bleichen müssen eingehalten werden. Das geschieht am besten in der Zahnarztpraxis. Zum Beispiel muss man den Leuten sagen, dass die Füllungen bei dem Vorgang nicht heller werden. Um ein einheitliches Ergebnis zu erzielen, müssten also auch die Füllungen angepasst werden. Und Bleichen ist nicht für die Ewigkeit. In ein bis zwei Jahren dunkeln die Zähne wieder nach und man muss nachbleichen, sonst passen wiederum die Füllungen nicht zu den Zähnen. All das ist natürlich eine Kostenfrage. Die Patienten sollten schon wissen, worauf sie sich da einlassen.

sueddeutsche.de: Lassen mehr Frauen oder mehr Männer ihre Zähne bleichen?

Leidmann: Nach meiner Erfahrung hält sich das die Waage. Die Männer werden auch immer eitler.

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