Skandinavische Küche:Moos auf den Teller

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Smørrebrød und sonst nichts? Ach wo: Die Skandinavier haben Kochen gelernt. Über das "New Nordic Cuisine Movement".

Maren Preiß

Skandinavier und Kochen? Lange Zeit war das nicht mehr als ein guter Witz; befeuert durch den lustigen Muppet-Koch und sein "Smørrebrød, Smørrebrød røm, pøm, pøm, pøm".

Der Däne René Redzepi rangiert in der Liste der weltbesten Köche auf Platz drei. Er gilt als Mitbegründer des "New Nordic Cuisine Movement". (Foto: Foto: Brambilla Serrani)

Was da aber seit ein paar Jahren in den gehobenen Restaurantküchen Nordeuropas entsteht, hat mit Smørrebrød, Hotdogs und Ködbullar so viel zu tun wie Heuschnupfen mit Winter.

Die skandinavische Küche weiß sich auf das Wesentliche zu beschränken - und gehört für Kenner längst zur Avantgarde. Namen wie Magnus Ek (Schweden) und Eyvind Hellstrøm (Norwegen) darf man sich merken.

Einen anderen muss man sich merken: René Redzepi. Der Däne ist derzeit der bekannteste Vertreter der skandinavischen Kochelite. Auf Europas wichtigsten Kochkongressen, Lo Mejor de la Gastronomía in Spanien und Identità Golose in Italien, ist er nicht mehr wegzudenken. Und in einer Ende April in London veröffentlichten Weltrangliste der 50 besten Köche wurde sein Restaurant Noma in Kopenhagen, das immerhin zwei Michelin-Sterne hat, auf Platz 3 gewählt - hinter Ferran Adriàs El Bulli und Heston Blumenthals The Fat Duck.

Wie erklärt er seinen kometenhaften Aufstieg? "Früher hat sich die skandinavische Küche sehr an Frankreich orientiert", sagt Redzepi. "Nun haben wir uns wieder auf unser eigenes kulinarisches Erbe besonnen." Der 31-jährige Däne mit makedonischen Vorfahren ist Anhänger einer neuen Glaubensrichtung, die sich "The New Nordic Cuisine Movement" nennt.

Und wie es sich für eine kulinarische Graswurzelbewegung gehört, hat man auch gleich ein zehn Punkte umfassendes Manifest verfasst. Danach sollen beim Kochen nicht nur die Jahreszeiten berücksichtigt, sondern auch ausschließlich Zutaten verwendet werden, die das Klima, die Gewässer und die Landschaft Skandinaviens widerspiegeln.

Die Franzosen haben für dieses Zusammenspiel von Klima, Geologie, Topographie und Bodenbeschaffenheit den Begriff "Terroir" erfunden. Glaubt man Redzepi, dann besitzt Skandinavien einen klaren Standortvorteil: "Gemüse, das in der dänischen Fjordlandschaft wächst, schmeckt immer nach Meer, weil die Erde hier voller Muscheln und Fossilien ist."

Legendär sind seine am Limfjord gewachsenen Babykarotten: Die stecken in einer essbaren Erde aus Malz, Haselnuss und Bier, gebettet auf eine Creme aus Wildkräutern.

Bei den Produkten verstecken sich die Skandinavier keineswegs verschämt hinter den Südeuropäern. Man zeigt, was man hat. Statt Oliven und Foie gras stehen bei Redzepi Moltebeeren, Moschusochse, Rentier, Scheidenmuscheln und Königskrabbe auf der Menükarte. Und das allseits verwendete Olivenöl hat er durch Pinienöl, den Aceto Balsamico durch Apfelessig ersetzt.

Wie spektakulär die neue Philosophie aus dem Norden sein kann, war zuletzt Anfang Februar auf dem Mailänder Kongress Identità Golose zu beobachten. Redzepi betritt die Bühne, ganz unprätentiös mit zerzaustem Haar, und hält die Hauptzutat in die Kamera, die in jedem seiner fünf Gänge vorkommen wird: Moos. "Als ich kürzlich im Wald spazieren ging, habe ich einen Hirschen dabei beobachtet, wie er Moos fraß. Wenn ein Hirsch Moos verträgt, kann man davon ausgehen, dass ein Mensch das auch kann."

So puristisch Redzepis Gerichte wirken - seine Küche bedeutet einen immensen logistischen Aufwand. Im Noma sind allein fünf Leute damit beschäftigt, ihm die wild wachsenden Ressourcen heranzuschaffen.

Gut möglich, dass Redzepi sich in puncto Besessenheit bei seinem einstigen Lehrer Ferran Adrià hat anstecken lassen. Der als bester Koch der Welt geltende Katalane hat übrigens gerade prophezeit, dass die nächste kulinarische Revolution aus dem Norden kommen werde. Spätestens wenn Redzepi seinen Meister an der Spitze der Weltrangliste abgelöst hat, sollten wir das glauben.

© SZ vom 16.05.2009/mes - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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