Selbstverständlich per Kaiserschnitt:Die Notlösung wird Routine

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Nicht nur Promi-Mütter tragen die Geburt in ihren Terminkalender ein: In Deutschland kommt fast ein Drittel aller Kinder per Kaiserschnitt zur Welt.

Christina Berndt

Es ist noch gar nicht so lange her, da galt der Kaiserschnitt als brachiale Methode. Kaum eine Frau überstand den Eingriff und auch kaum ein Kind. Inzwischen aber sehen viele Schwangere im Kaiserschnitt den rettenden Ausweg.

Die Risiken für die Mutter seien, laut Frauenärzten, heute bei einem Kaiserschnitt kaum höher als bei einer natürlichen Geburt. (Foto: Foto: iStockphotos)

Sie werden bei der Geburt weniger Schmerzen erleiden, der gefürchtete Dammriss bleibt aus und noch dazu passt ein Kaiserschnitt sogar in den Terminkalender. Victoria Beckham, die Frau des Fußballprofis jedenfalls passte die Geburt des jüngsten Kindes an den Spielplan ihres Ehemanns an.

Gemischte Gefühle

Längst bringen nicht nur Prominente ihre Kinder mit einem geplanten Kaiserschnitt zur Welt. Im Jahr 2007 lag der Anteil der Kinder, die durch den chirurgisch gebahnten Seitenausgang das Licht der Welt erblickten, in Deutschland bei 29 Prozent.

In Rheinland-Pfalz war der Anteil mit 39 Prozent fast doppelt so hoch wie in Sachsen mit 20 Prozent. Das berichtet der Bundesverband deutscher Betriebskrankenkassen. Wie häufig der Kaiserschnitt auf Wunsch der Mutter stattfand, haben die Kassen nicht erfragt. Früheren Studien zufolge ist das in Deutschland in rund sieben Prozent der Fälle der Fall.

Ärzte sehen die Entwicklung mit gemischten Gefühlen: "Die Angelegenheit ist sehr schwierig zu bewerten", sagt Christian Dannecker, Oberarzt an der Frauenklinik im Münchner Universitätsklinikum Großhadern. Es gebe durchaus gute Gründe, einen Kaiserschnitt durchzuführen - medizinische, aber auch psychologische.

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Eine ernst zu nehmende Angst

(Foto: Foto: SZ-Graphik)

"Wenn eine Frau große Angst vor der Geburt hat, weil sie die Geburt ihres ersten Kindes als traumatisch erlebt hat, dann nehmen wir diese Angst ernst", sagt Dannecker. Die Risiken für die Mutter seien heute bei einem Kaiserschnitt kaum höher als bei einer natürlichen Geburt.

Doch obgleich Komplikationen selten geworden sind, ist der Schnitt durch Bauchdecke und Gebärmutter nach wie vor ein schwerer Eingriff. Die Schmerzen, die bei der Geburt vermieden werden, werden oft auf die Zeit danach vertagt. Dann fällt vielen Frauen das Tragen oder Stillen ihres Säuglings schwer. Auch dem Kind bereitet die schnelle Geburt mitunter Probleme - zu den häufigsten gehören Atemschwierigkeiten. "Sie sind aber nur kurzfristiger Natur", betont Dannecker.

Der einzelne Kaisersschnitt an sich sei eine ziemlich sichere Sache, fasst der Geburtshelfer und Gynäkologe zusammen. "Aber für nachfolgende Schwangerschaften kann der Eingriff zum Problem werden." Frauen werden nach einer Schnittentbindung nicht mehr so leicht wieder schwanger; und wenn doch, dann wird das Kind mitunter schlechter versorgt, weil der Mutterkuchen falsch liegt oder Verwachsungen entstanden sind.

"Wir streben immer eine natürliche Geburt an", betont Dannecker. "Wir sollten akzeptieren, dass Schwangerschaft und Geburt keine Krankheiten sind, sondern eine ganz natürliche Sache, die in aller Regel gut ausgeht." Allerdings bringe auch die natürliche Geburt Risiken mit sich. So leiden manche Frauen danach unter Inkontinenz oder einem weniger erfüllten Sexualleben. Dannecker plädiert deshalb vor allem dafür, "ideologiefrei zu diskutieren". Die Ideologie hätte die Geburtshilfe heute ohnehin viel zu fest im Griff.

© SZ vom 30.07.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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