Carl XVI. Gustaf:"Die Skandale werden niemals sterben"

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Spätestens seit ein Freund des Königs mit Hilfe der Mafia anrüchige Fotos aus dem Verkehr ziehen wollte, hat Schweden den Respekt vor Carl Gustaf verloren. Immer mehr Untertanen wünschen sich nun, dass er Tochter Victoria den Thron überlässt.

Gunnar Herrmann, Stockholm

König Carl XVI. Gustaf kann machen, was er will - die Titelseiten gehören ihm. Und das, obwohl der Monarch seit gut einer Woche schweigt, um nach den jüngsten Enthüllungen rund um seinen illustren Freundeskreis endlich aus den Schlagzeilen zu kommen. Doch am Samstag schaffte er es sogar auf die erste Seite von Dagens Nyheter, einer seriösen Tageszeitung. Das Blatt präsentierte eine Umfrage, der zufolge nur 44 Prozent der Schweden meinen, Carl Gustaf solle weiter regieren.

Nach seinen Sexskandalen und den Berichten über seine Verbindungen zu Stockholms Unterwelt wünschen sich immer mehr Untertanen, dass Carl Gustaf möglichst bald den Thron seiner populären Tochter überlässt. (Foto: dpa)

Immer mehr Untertanen wünschen sich dagegen, dass Carl Gustaf möglichst bald den Thron seiner populären Tochter Victoria überlässt. Jeder Fünfte will die Monarchie gleich ganz abschaffen. Wie ernst die Lage ist, zeigte sich am Sonntag: Da ließ der König seinen Hofsprecher vorsorglich erklären, er gedenke auf jeden Fall im Amt zu bleiben. In ruhigeren Zeiten hätte er sich kaum zu so etwas genötigt gesehen. Doch Schwedens Monarchie befindet nun schon seit Monaten unter Dauerbeschuss, und das zeigt langsam seine Wirkung.

Nicht nur in Meinungsumfragen, auch in Leitartikeln und Kolumnen ist der Ton ungewohnt rau geworden. Früher betonten selbst Republikaner bei aller Kritik am König stets auch seine verdienstvolle Arbeit als Staatsoberhaupt. Aber dieser Respekt scheint verloren zu sein, spätestens seit bekannt wurde, dass ein Freund des Regenten serbische Mafiosi anheuern wollte, um kompromittierende Fotos aus dem Verkehr zu ziehen. Dagens Nyheter kommentierte am Samstag, die miesen Umfragewerte seien "nicht verwunderlich". Der Regent ist offenbar nach knapp 38 Jahren auf dem Thron wieder dort angekommen, wo er einst angefangen hat: im Popularitätstief.

Weil sein Vater bei einem Flugzeugabsturz gestorben war, hatte Carl Gustaf die Krone 1973 von seinem Opa Gustaf VI. Adolf übernehmen müssen - nur 27 Jahre jung. Die Öffentlichkeit sah das damals mit Skepsis. "Partyprinz" wurde der Thronfolger verächtlich genannt, weil er gerne Discos besuchte. Und manche Beobachter störte, dass der Neue nicht an die intellektuellen Fähigkeiten seines Vorgängers heranreichte - Gustav VI. war ein angesehener Archäologe und Kenner chinesischer Kunst.

Carl Gustaf hat es aber recht gut geschafft, die Kritik vergessen zu machen. Der Wendepunkt - da sind sich die Hofexperten einig - war seine Hochzeit mit der bürgerlichen Silvia Sommerlath 1976. Silvia, so die bisher vorherrschende Legende, habe den Partyprinzen gezähmt. Sie bekamen drei Kinder und er regierte glücklich bis ... ja, bis im vorigen Herbst das Buch "Der widerwillige Monarch" erschien. Das umstrittene Werk des Autors Thomas Sjöberg, das in Deutschland seit Januar erhältlich ist, schildert Feste in Stripclubs und eine Affäre, die der König mit der Sängerin der Band Army of Lovers gehabt haben soll. Damit war aus dem häuslichen Monarchen doch wieder ein Partyprinz geworden.

"Wir blättern um, und sehen nach vorne"

Schlimmer als das Buch war möglicherweise Carl Gustafs Reaktion darauf. Er kommentierte es auf einer Waldlichtung, am Rande der Elchjagd: "Wir blättern um, und sehen nach vorne." Für diesen patzigen Auftritt musste er viel Spott ertragen. "Hätte der König im Herbst seine Nachtclubbesuche zugegeben, wäre die Sache zu den Akten gelegt worden", schrieb der Kolumnist Peter Kadhammar kürzlich in der Zeitung Aftonbladet. Aber sein Schweigen und das ungeschickte Verhalten seines Freundes Anders Lettström hätten dazu beigetragen, dass "die Skandale niemals sterben werden".

Anders Lettström, ein Geschäftsmann und enger Freund des Monarchen, hatte nach der unseligen Pressekonferenz im Wald Kontakt zu dem Serben Milan Sevo aufgenommen, den die Boulevardblätter "Gangsterkönig von Stockholm" nennen. Er bat einen Mitarbeiter Sevos, mit dem ehemaligen Nachtclubbesitzer Mille Markovic zu sprechen - in dessen Etablissement soll der König sich vergnügt haben. Markovic ist eine der Hautquellen für das Buch vom "widerwilligen Monarchen" und hat mehrfach behauptet, noch Fotos von den berüchtigten Partys zu besitzen.

Lettström bat seine Bekannten aus der Unterwelt also, sie sollten herausfinden "was Mille hat und was er will". Geld sei vorhanden. Das Gespräch wurde aufgezeichnet und einem Journalisten zugespielt.

Die Frage ist nun, ob Lettström aus eigenem Antrieb oder auf Wunsch des Königs mit den Gangstern verhandelte. Letzteres wäre wohl ein Grund zum Abdanken. Lettström selbst hat jedoch inzwischen erklärt, alles sei allein seine Schuld. Und Carl Gustaf schweigt. In der vergangenen Woche sagte er mehrere Pressekonferenzen ab, um unangenehmen Fragen zu entgehen.

Die Reporter versuchen sich darum in der Deutung subtiler Zeichen. Am Mittwoch etwa fiel ihnen auf, dass Königin Silvia bei einem Auftritt mit ihrem Mann keinen Trauring trug. Auch das war manchen Blättern eine Titelseite wert. Und der Hof musste erklären, dass Silvia sich den Finger eingeklemmt hatte. Am nächsten Tag posierte sie dann demonstrativ mit Ring. "Mir geht es gut", sagte sie. Aber da kannte sie die neuesten Umfragen noch nicht.

© SZ vom 30.05.2011/afis - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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