Schuhmode:Höher, schriller, vulgärer

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Auf dem Absatz kehrt: Warum viele Schuhe heute nur noch schockieren.

Schuhdesigner Pierre Hardy

"Mode ist eine Tortur. Dass die Absätze derzeit so hoch sind wie noch nie, liegt auch an den Modemagazinen. Durch ihre Bilderstrecken im Heft kreieren sie eine Ästhetik, an die sich das Auge des Betrachters schnell gewöhnt. Diejenigen, die diese Mode-Produktionen verantworten, verantworten bedauerlicherweise auch die Werbekampagnen.

Schuhdesigner Pierre Hardy spart nicht an Kritik über die eigene Branche und potentielle Kundinnen. (Foto: Foto: dpa)

Frauen wollen dieses Image leben, also lassen sie sich darauf ein. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass sich viele für ihre Füße schämen. Füße sind der am wenigsten wertgeschätzte Teil unseres Körpers. Um diesen Komplex zu kompensieren, wollen Frauen ihre Füße so pompös wie nur möglich in Szene setzen. Dabei tappen sie in die Image-Falle der Magazine.

Immerhin ist es weniger schmerzhaft, einen ganzen Tag lang auf 15 Zentimeter hohen Absätzen zu gehen, als konstant auf Diät zu sein, um in Kleidergröße 36 rein zu passen.

Schuhe sind wie Spielzeug, ein mächtiges Spielzeug, durch das man seine ganze Erscheinung verändern kann. Dieses Spielzeug haben heute beinahe alle Modehäuser für sich entdeckt. Prada war eines der ersten Labels, das mit Schuhen einen neuen Markt eroberte. Vorher gab es nur wenige traditionelle Schuhhäuser, wie Ferragamo oder Sergio Rossi, bei denen Schuhe im Rampenlicht standen; die Aufmerksamkeit lag bis dahin auf der Kollektion.

Als Miuccia Prada anfing, eine eigene Designabteilung für Schuhe aufzubauen, zogen andere Häuser wie Christian Dior oder Yves Saint Laurent nach. Spätestens Anfang der 90er Jahre wurde das Beiwerk zur Hauptrolle. Schuhe brachten nicht nur mehr Geld ein als Kleidung, die Designer hatten plötzlich auch ein neues Feld, auf dem sie sich ausleben konnten.

Mit den Schuhen begann der Konkurrenzkampf der Modehäuser erst richtig: die Entwürfe wurden immer höher, immer schriller, immer wahnwitziger. Manche Designer gehen heute absichtlich so weit, einen Schock zu kreieren. Da Mode kurzlebig ist, und alle sechs Monate wieder neue Entwürfe auf den Markt gespuckt werden, stört sich aber niemand lange an dem einen oder anderen Exzess.

So, wie sich die Designer durch immer extremere Schuhmodelle voneinander abgrenzen wollen, wollen sich auch die Magazine von ihren Konkurrenten abgrenzen; und so beginnt der Teufelskreis:

Die Designer bedienen die Wünsche der Redakteure, die Schuhe werden noch krasser, die Fotos noch extremer. Außerdem leben wir in einer barocken Zeit. Alles muss vulgär und kitschig sein. Wobei Vulgarität mich nicht irritiert. Sie kann sogar sehr amüsant sein: Als Helmut Newton fetischartige Schuhe für seine Modebilder verwendete, hatte das durchaus Klasse.

Dabei sind Schuhe doch der einfachste Zugang zur Mode. Man muss sich beim Kauf nicht auf einen bestimmten Stil festlegen, so wie man sich beim Kauf eines Lanvin-Kleides festlegt. Sie können heute Ballerinas tragen, morgen Pumps und übermorgen Springerstiefel.

Hier wird es gefährlich, denn man braucht schon Geschmack. Der Schuh steht bei der Körpersilhouette immer im Mittelpunkt, er spielt die Hauptrolle. Als ich für Balenciaga den "Robot-Boot" entwarf, war er auf die Kollektion abgestimmt. Er gehörte zur Balenciaga-Silhouette, sah wunderbar aus - aber er war nur Beiwerk. Wenn man diesen Schuh nun aus dem Kontext reißt und zu einem zarten Blümchenkleid kombiniert, sieht er natürlich klobig und hässlich aus.

Aber die Mode ist eine Industrie. Und wie jede Industrie richtet sich auch diese nach der Zielgruppe. Und leider gibt es immer mehr reiche Frauen mit schlechtem Geschmack. Es ist nunmal so: Auch Schuhe muss man tragen können."

Protokoll: Jina Khayyer

© SZ vom 20.06.2009/mes - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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