"Unbill an Ehr' und Leibe verzeihet nur der Schwache. Die Milde ziemt dem Weibe, dem Manne ziemt die Rache" - was der deutsche Schriftsteller Friedrich Martin von Bodenstedt im 19. Jahrhundert dichtete, scheint nicht mehr so richtig aktuell zu sein. Zumindest ist es nun eine Frau, die in Berlin Deutschlands erste Racheagentur ins Leben gerufen hat: Sabine Noack. Aus Sicherheitsgründen möchte sie zwar keine Details über sich oder ihre Arbeit verraten. Aber wie die von ihr propagierte "kultivierte Rache" aussehen soll, erklärt sie im Interview.
SZ.de: Warum haben Sie eine Racheagentur gegründet?
Sabine Noack: Viele Menschen befinden sich in einer Spirale aus Wut, Enttäuschung und Hilflosigkeit, woraus Rachegelüste entstehen. An die Öffentlichkeit können sie selten gehen, weil viele ihre Vergeltungswünsche für kindisch erklären, schlechtreden und keine Hilfe sind. Durch diese Ablehnung fühlen sich die Geschädigten noch schlechter. Wir bieten ihnen eine Anlaufstelle, wo sie ernst genommen werden.
Gibt es nicht schon genug Schlechtigkeit auf der Welt?
Der Sinn einer Racheagentur ist nicht, das Böse zu verbreiten, sondern das Gegenteil. Wir bieten Geschädigten einen Ort, wo sie ihren Frust abladen, über ihre Verzweiflung sprechen und sich helfen lassen können. Wir begegnen anderen Menschen nicht mit Schlechtem, sondern mit Ausgleichendem. Wir sehen das Gute im Menschen: Jeder kann sich ändern, sofern er sein Fehlverhalten einsieht und an sich arbeitet. Dazu regen wir mit entsprechenden Aktionen an.
Was sind das für Aktionen?
Stellen Sie sich folgende Szene vor: Einem Mann wird ein heißes Techtelmechtel in Aussicht gestellt, voller Vorfreude wird er auf die Toilette oder in eine dunkle Ecke seines Lieblingslokals gelockt. Dabei wird wild an seiner Kleidung herum gezerrt, diese ausgezogen und im passenden Moment sind Techtelmechtel und Kleidung durch den Haupteingang verschwunden. Der Nackedei muss irgendwann wieder durch diesen Eingang und wird nichts weiter tragen als Socken und einen schamroten Kopf. Hochnotpeinlich, tut aber nicht weh. Die Kleidung bekommt er wieder.
Was für Menschen kommen zu Ihnen?
Menschen mit großer Wut, die sich selbst nicht mehr zu helfen wissen. Wir haben Anfragen aus ganz Deutschland, aber auch aus Österreich und der Schweiz.
Wobei genau benötigen sie Ihre Hilfe?
Die Kunden wollen Genugtuung für entstandenen Schaden oder einfach bestimmte Denkprozesse bei ihrem Gegenüber in Gang setzen.
Prüfen Sie die Geschichten auf ihren Wahrheitsgehalt oder Ihre Kunden auf deren Seriosität?
Nein, eine solche Überprüfung können wir nicht leisten. Das möchten wir auch gar nicht, denn damit müssten wir in alles und jeden Misstrauen haben. Das würde noch mehr Schaden anrichten, weil unser Gegenüber schon durch sein Erlebtes leidet. Ich arbeite mit Vertrauen, einer gesunden Menschenkenntnis und einer Plausibilitätskontrolle. Ich höre mir alles gründlich an und frage nach, womit ich mir schon mal ein gutes Bild von der Lage und der Ernsthaftigkeit der Anfrage machen kann. Im weiteren Verlauf der Planung und Kommunikation mit dem Kunden kann man sehr gut beurteilen, was echt und was geflunkert ist.