Protestkultur:Krach machen

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Seit mehr als 40 Jahren demonstrieren Menschen für die Umwelt. Ihr Protest ist knallbunt, sehr kreativ und vor allem ziemlich erfolgreich.

Von Georg Cadeggianini

Für die Umwelt protestiert wurde schon oft - mit unterschiedlichsten Ideen. Zum Beispiel mit zehn Schweinen. Bauern wollten, dass sich die Politiker besser um die Tiere kümmern und brachten echte Schweine mitten in die Stadt - ins Regierungsviertel! Oder die Hängematten, hoch oben in den Baumwipfeln, in denen sich Waldfreunde ausstreckten: Fällen unmöglich! Oder die Sonne auf einer viel befahrenen Straßenkreuzung. Aktivisten hatten Hunderte Liter gelbe Farbe ausgeleert. Die Autos, die durch die Farbe fuhren, verteilten sie wie Strahlen: Sonne statt Kohle!

Eigentlich ist es ziemlich logisch, für die Natur auf die Straße zu gehen. Denn wenn es der Natur schlecht geht, bekommt das der Mensch ziemlich schnell selbst zu spüren. Und wenn man sich die Proteste der vergangenen Jahrzehnte anschaut, kann man auch sagen: Es gibt kaum ein politisches Thema, bei dem bunter Widerstand mit Plakaten, Parolen und Demonstrationen so viel Erfolg hat.

In Deutschland begann der Umweltprotest vor fast 50 Jahren. Ein Energieunternehmen wollte ein Atomkraftwerk bauen. Dagegen wehrten sich viele Menschen. Weil ein Atomunfall die Umwelt katastrophal zerstört und bis heute unklar ist, wo man den giftigen Atomabfall lagern soll. "Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv", stand auf ihren Plakaten. Oder "Strahlende Zukunft für Kinder". Als die Bauarbeiten trotzdem begannen, kamen fast 30 000 Menschen zusammen. Nach zehn Jahren Protest wurde das Atomkraftwerk Wyhl an der deutsch-französischen Grenze nicht fertig gebaut.

Der Widerstand gegen Atomkraft hat auch in den Jahrzehnten danach viele Menschen auf die Straße gebracht. Manche ketteten sich an Schienen, damit Züge mit radioaktivem Müll nicht weiterfahren konnten. Polizisten mussten mit Bolzenschneidern anrücken. Aus der Umweltbewegung entstand sogar eine politische Partei: 1980 gründeten sich die Grünen. Heute bereitet sich Deutschland auf den Atomausstieg vor.

In den 80ern protestierten die Menschen auch gegen etwas, das sich saurer Regen nannte. Schmutzige Luft vergiftet den Regen, der wiederum schädigt Pflanzen und Bäume. "Erst stirbt der Wald... dann der Mensch!" stand auf den Plakaten. Oder kurz: "Heute Tannen, morgen wir". Auch hier ist viel passiert. Ein Filter für die Abgase von Autos wurde eingeführt, die Industrie hat große Teile des schädlichen Schwefeldioxids aus den Abgasen gefiltert. Heute geht es dem Wald tatsächlich besser.

Jetzt gehen Menschen für die Klimarettung in der ganzen Welt auf die Straße. "Our goal, no coal" steht da auf ihren Plakaten (Unser Ziel, keine Kohle) oder "Wir haben keine Ersatzerde". Noch sind es nicht Hunderttausende. Aber ihr Protest hat eine neue, ganz eigene Kraft. Denn erstens sind es Schülerinnen und Schüler, die in den Streik treten, um für eine bessere Klimapolitik zu demonstrieren. Etwas, was wegen der Schulpflicht eigentlich nicht erlaubt ist und viel Aufsehen erregt. Und zweitens tun sie das in vielen Ländern gleichzeitig: in Kanada, Nigeria, Belgien, Irland, Südafrika, Finnland, Australien und vielen anderen: Fridays for future!

© SZ vom 02.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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