Prominente Nicht-Christen über Weihnachten:"Ich feiere mit"

Wie begeht man das Christenfest, wenn man kein Christ ist? Feridun Zaimoglu, Minh-Khai Phan-Thi und andere Prominente verraten, wie sie mit den Festtagen umgehen - wieso anständige Deutsche mit türkischen Eltern mitfeiern müssen und auch ein Hindu an Heiligabend in die Kirche geht.

Ronen Steinke

Prominente Nicht-Christen über Weihnachten

"Ehrlich gesagt, ich mag die Fichte"

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(Foto: dpa)

"Wie es sich für einen anständigen Deutschen mit türkischen Eltern gehört, feiere ich mit. Ich werde in den meisten Jahren von den Eltern meiner jeweiligen nichtmuslimischen Freundin eingeladen, da gibt es ja zum Glück nicht den Konflikt, dass meine eigenen Eltern zur gleichen Zeit auch besucht werden wollen. Und ehrlich gesagt: Ich mag die Sauerländer Fichte im Wohnzimmer. Warum nicht? Nicht in meinem eigenen. Aber ich hocke doch nicht wie die Eule auf der Jule (norddeutsch für Holzpflock, Anm. d. Red.) und glotze auf die Christkugeln beim Nachbarn! Da kommt doch keine Stimmung auf. Bloß eines mache ich nicht: christliche Gebete mit anstimmen. Wäre schleimerhaft." Feridun Zaimoglu veröffentlichte in diesem Jahr den Roman "Ruß" bei Kiepenheuer&Witsch.

Prominente Nicht-Christen über Weihnachten

"Mitsingen ist kein Sakrileg"

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(Foto: lkn)

"Ich gehe, wie alle Nachbarn in meinem kleinen Dorf, an Heiligabend in der Kirche singen! Die ist sehr klein, da quetschen sich alle hinten rein. Bei den Liedern lasse ich die sehr christlichen Dinge weg, nicht weil ich das für ein Sakrileg halten würde als Muslimin, aber es geht mir halt nicht recht über die Lippen. Letztes Jahr habe ich mir auch mal vorgenommen, dass ich mich da ganz rausziehe. Aber dann haben mich hinterher so viele Leute aus der Nachbarschaft gefragt, wo ich denn gewesen sei, dass ich ganz gerührt war, und in diesem Jahr bin ich wieder dabei. Nach dem Singen gibt es eine Einladung zum Weihnachtsessen bei Freunden, die Christen sind. Mir ist ja Weihnachten ohnehin nicht fremd. Meine Eltern haben früher zu mir gesagt: Unter uns, den Weihnachtsmann gibt's zwar nicht, aber man kann da trotzdem Spaß haben. So wurde Weihnachten von uns quasi religiös entkernt. Als in den 80er Jahren das Waldsterben kam, haben wir auch den Baum weggelassen, später auch das Fleisch. Es hat also eine ganze Serie von Entkernungen gegeben." Die Publizistin Hilal Sezgin gab in diesem Jahr das Sammelwerk "Das Manifest der Vielen" heraus, in dem 30 Autorinnen und Autoren mit Migrationshintergrund gegen die Thesen Thilo Sarrazins Stellung beziehen.

Prominente Nicht-Christen über Weihnachten

"Außen glänzend, innen leer"

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(Foto: dpa)

"Wenn wir noch in Kosovo wären, würden wir an Weihnachten gar nichts machen, in Deutschland nutzen wir die allgemeinen Feiertage aber für Familientreffen - inmitten von Weihnachtsdeko. Meine Mutter liebt die Lichter und die ganze Atmosphäre so sehr, dass sie sogar einen Tannenbaum mit künstlichem Schnee aufstellt, obwohl es das Fest, weil wir Moslems sind, dann gar nicht gibt. Die glänzenden Geschenke unterm Baum sind leere Kartons. Nur als wir kleine Kinder waren, haben wir Geschenke an diesem Abend bekommen. Damit wir in der Schule mitreden konnten." Lira Bajramaj wurde 2011 vom Verband Deutscher Sportjournalisten zur Fußballerin des Jahres gewählt.

Prominente Nicht-Christen über Weihnachten

"Der langweiligste Abend im Jahr"

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(Foto: ddp)

"Letztes Jahr an Heiligabend habe ich alleine einen Tisch in einem Berliner Restaurant reserviert und dort in einer Musikzeitschrift gelesen. Ein langes Interview mit Tocotronic. Schön. Früher, als Kind der einzigen jüdischen Familie in Papenburg im Emsland, fand ich es deutlich einsamer: Wir wohnten direkt über dem Bekleidungsgeschäft meines Vaters, und von außen war natürlich alles voller Weihnachtsdeko, nur bei uns oben in der Wohnung: keine Spur. Keiner meiner Freunde hatte Zeit, sich mit mir zu verabreden, das war immer der langweiligste Abend im Jahr. Ich spielte mit meinen Chanukka-Geschenken, die mittlerweile schon bis zu vier Wochen alt waren, konnte Der kleine Lord, der wie jedes Jahr im Fernsehen lief, simultan mitsprechen. Und sehnte mich. Das war wirklich eine stille Nacht. Erst Jahre später, als ich bei den Eltern meiner christlichen Freundin Asyl bekam, durfte ich das erste Mal legal Weihnachten feiern. Eines meiner ersten Geschenke war dann eine Single von R.E.M.: Losing my Religion." Oliver Polak war in diesem Jahr mit seinem Kabarettprogramm "Ich darf das, ich bin Jude" auf Tournee.

Prominente Nicht-Christen über Weihnachten

"Ramadan ist schon schlimm genug"

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(Foto: picture alliance / dpa)

Es gibt sicherlich nicht wenige Deutsche, die am liebsten weihnachtsabstinent wären. Da ich keine christlichen Eltern und auch keine Kinder habe, kann ich es mir leisten, diesen Wunsch tatsächlich auch auszuleben. Ich genieße in diesen Tagen, dass es keine Anrufe gibt, keine Arbeit. Von Feiern und Geschenken halte ich mich aber fern. Ich finde ja schon die muslimischen Feste anstrengend. Der Ramadan war einmal dafür gedacht, dass man sich in die Armen hineinversetzt, aber die Muslime haben es geschafft, daraus ein riesiges Fressfest zu machen, mit Bergen von Essen, sobald die Sonne untergeht. Das reicht! Das brauche ich nicht auch noch an Weihnachten." Hamad Abdel-Samad veröffentlichte in diesem Jahr ein Buch über den arabischen Frühling und traute sich zum zweiten Mal auf "Deutschland-Safari" mit Henryk M. Broder.

Prominente Nicht-Christen über Weihnachten

"Ohne Jesus, mit Hund"

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(Foto: Johannes Simon)

"An Weihnachten steht das gesellschaftliche Leben in Deutschland nun mal still, ob man sich auf das Feiern von Chanukka und sowjetischem Silvester beschränkt, wie meine jüdische Großfamilie, oder nicht. Ich habe auch schon mal gearbeitet an diesen Tagen und die allfällige Ruhe genutzt, aber es kann eben auch leicht ein wenig melancholisch werden, wenn alle christlichen Freunde bei ihren Omas überm Gänsebraten sitzen und man selbst alleine zu Hause überlegt, ob noch ein Pizzaservice offen hat. Also feiern wir jetzt auch ein bisschen, mein Mann und ich. Ein drittes Fest! Einfach, weil's nett ist, ohne Jesus. Wir haben einen Baum, schenken uns was, warten, dass die Freunde fertig werden mit ihren Familien, gehen viel mit dem Hund spazieren. Ob das für meine Kinder irgendwann verwirrend sein wird? Ich hoffe, ich kann ihnen das Selbstbewusstsein vermitteln zu sagen: ,Hey bin ich cool, ich hab' drei Feste.'" Lena Gorelik veröffentlichte 2011 ihr drittes Buch: "Lieber Mischa: ... der Du fast Schlomo Adolf Grinblum gehießen hättest, es tut mir so leid, dass ich Dir das nicht ersparen konnte: Du bist ein Jude".

Prominente Nicht-Christen über Weihnachten

"Um die Dunkelheit zu vertreiben"

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(Foto: dpa)

"Als Hindu in Deutschland ist man ja ein bisschen auf Entzug: In Indien wird im November Divali gefeiert, auf ziemlich grandiose Weise, es werden unglaublich viele Feuerwerkskörper verbraucht, um die Dunkelheit zu vertreiben. In Altlandsberg gibt es außer mir aber nur einen Inder. Das fällt also aus. Der Weihnachtsglanz vertreibt aber auch sehr gut die Dunkelheit. Sie finden mich deshalb an Heiligabend in der evangelischen Kirche. Voriges Jahr hatte ich einen indischen Staatssekretär zu Besuch. Den habe ich dann mitgenommen." Ravindra Gujjula (SPD) ist Bürgermeister von Altlandsberg in Brandenburg.

Prominente Nicht-Christen über Weihnachten

"Ein Tannenbaum zwischen Buddhas"

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(Foto: JOCKEL FINCK)

"Mein Sohn ist jetzt sechs und seit es ihn gibt, kommt zu Weihnachten eine Tanne in unsere ansonsten mit Buddha-Statuen und zwei Altären ausgestattete Wohnung. Das ist eine schöne deutsche Tradition, und wenn mein Sohn mich fragen würde, warum wir nicht mitfeiern, wüsste ich auch nicht, was ich ihm antworten sollte. Also summieren sich jetzt bei uns buddhistische und christliche Feste - was bloß einen Nachteil hat: Ein bisschen Weihnachten feiern, ganz entspannt, geht ja leider nicht. Über unser Leben ergießt sich die totale Geschenk-Orgie. Ab dem 22. Januar steht eigentlich schon wieder das dreitägige vietnamesische Neujahrsfest Thet im Kalender - alle schenken allen kleine rote Umschläge mit Geld, es wird viel Black Jack gespielt, es gibt Berge von Essen, meine Onkel sind dauerbetrunken. Dafür fehlt mir inzwischen ein wenig die Puste. Seitdem wir Weihnachten feiern, fällt Thet kleiner aus." Minh-Khai Phan-Thi ermittelt als Kommissarin Mimi Hu in der ZDF-Reihe "Nachtschicht".

Prominente Nicht-Christen über Weihnachten

"Echte Bescherung, wie im Fernsehen!"

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(Foto: dpa)

"Meine Kinder versuche ich humanistisch und weltoffen zu erziehen, vor drei Jahren haben wir zum Beispiel mit jüdischen Freunden Chanukka gefeiert - und Weihnachten gehört jetzt auch dazu. In meiner eigenen Kindheit in Salzgitter war das noch ganz anders. Weihnachten war ein ausschließlich christliches Fest. Ich wusste zwar, dass wir Muslime auch unsere Feierlichkeiten hatten, aber lange nichts, was mit so einem Countdown herbeigesehnt wurde. Einmal haben wir an Heiligabend die Küche in unserer Wohnung tapeziert. Ich stand auf dem Fenstersims und hatte eine Bürste in der Hand, aber als ich in die Wohnungen gegenüber sah, stieg ich herunter und löschte das Licht. Ich schaute zu, wie in all den Wohnzimmern genau der magische Moment passierte, von dem meine Mitschüler immer schwärmten. Die Bescherung kannte ich nur aus dem Fernsehen." Mehmet Kurtulus drehte in diesem Jahr seinen letzten Hamburger "Tatort" ab und gab in Stuttgart den "Othello". Quelle: SZ vom 24.12.2011

© Sz vom 24.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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