Politiker im Karneval:Ihr Narren!

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Markus Söder macht den Stoiber, Winfried Kretschmann bleibt philosophisch gelassen, Julia Klöckner versprüht den Charme der ehemaligen Weinkönigin: eine Typologie.

Dass Politiker zwischen Köln und Mainz, zwischen Freiburg und Veitshöchheim lustige Kostüme anziehen und sich mitten ins bunte Treiben stürzen, ist ein verhältnismäßig neues Phänomen. Der gebürtige Kölner Konrad Adenauer war zum Beispiel überhaupt kein Freund des Karnevals, und spontane Frechheiten mochte er noch weniger. Als Kölner Jecken in den Anfangsjahren der Bundesrepublik auf offener Bühne über alte Nazis und Missstände bei der Kohleversorgung spotteten und gegen die Remilitarisierung Position bezogen, reagierte der Kanzler humorlos. Im Februar 1952 diskutierte sogar das Bonner Kabinett über die "zersetzenden und gehässigen Satiren" gewisser Büttenredner; die Bürgermeister von Köln, Düsseldorf, Mainz und München wurden zum Rapport bei Bundesinnenminister Robert Lehr bestellt, auf persönlichen Wunsch von Konrad Adenauer, der sich einen möglichst unpolitischen, vor allem kritikfreien Karneval wünschte. Tempi passati. Als Politiker heute den Fasching, die Fastnacht, den Karneval zu unterschätzen, wäre eine Dummheit sondergleichen; vor allem in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg, Bayern und Saarland hat es verheerende Folgen, wenn man sich dem organisierten Schunkelbetrieb verweigert. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich ein regelrechtes Kartell aus Politikern, Narrengesellschaften und öffentlich-rechtlichen Sendern gebildet. Das ist einer der Gründe, warum beim Orden wider den tierischen Ernst in Aachen auch Politiker ausgezeichnet werden, die ihren Humor erst noch in der Verkleidungskiste suchen müssen. Das närrische Volk sollte aber gnädig sein: So schmallippig wie Konrad Adenauer sind die Herrschenden längst nicht mehr. Bei einigen der auf dieser Seite versammelten Politikern hat man sogar das Gefühl: Die wollen ganz gerne auch mal jemand anders sein, einmal aus der Reihe tanzen - Aschermittwoch kommt bestimmt.

© SZ vom 06.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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