Nobelpreise:Analyse: Nobelpreis ist Ansporn für Aufgabe in Syrien

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Den Haag (dpa) - Jahrelang hat die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) im beschaulichen Den Haag ebenso zuverlässig wie unauffällig ihre Arbeit verrichtet.

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Den Haag (dpa) - Jahrelang hat die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) im beschaulichen Den Haag ebenso zuverlässig wie unauffällig ihre Arbeit verrichtet.

Doch am 21. August wurden bei einem Giftgasangriff in der Nähe von Damaskus mehr als 1400 Menschen getötet und wenig später einigten sich die USA und Russland auf die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen. Plötzlich standen die OPCW-Experten im Rampenlicht: Aller Welt wurde bewusst, wie wichtig die Tätigkeit dieser Spezialisten ist, die jetzt mit dem Friedensnobelpreis geehrt werden.

Bei Einsätzen vor Ort müssen die Experten sich mit Atemmasken und Schutzanzügen gegen Gefahren durch einige der schlimmsten Kampfstoffe der Welt wappnen. Sarin zum Beispiel. Für alle, die seine Wirkung kennen, ein Synonym für das Grauen. Schon ein Milligramm des Nervengases, über das Syrien in großen Mengen verfügen soll, kann in Minuten zu Atemlähmung und Herzstillstand führen.

Nicht nur die syrischen Streitkräfte verfügen immer noch über Sarin sowie zahlreiche weitere chemische Kampfstoffe. Schon vor Jahrzehnten - nicht zuletzt durch die verheerenden Giftgaseinsätze im Ersten Weltkrieg - war Regierenden vieler Staaten klar geworden, dass eine ungebremste chemische Aufrüstung die Welt ebenso an den Rand des Abgrunds bringen könnte, wie die Anhäufung von immer mehr Atomwaffen. Nach langen Verhandlungen einigte man sich 1992 in Genf auf die Chemiewaffenkonvention - und damit auf das weltweite Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen sowie über die schrittweise Vernichtung solcher Kampfstoffe.

Für die Umsetzung der Konvention, die nach einem langen Ratifizierungsverfahren 1997 in Kraft trat, sind die fast 500 Mitarbeiter der OPCW zuständig. Ihr Generaldirektor ist der türkische Diplomat Ahmet Üzümcü. Der 62-Jährige, der sein Land zuvor bei der Nato in Brüssel sowie den Vereinten Nationen in Genf vertreten hatte, verfügt über umfangreiche Erfahrungen in der internationalen Politik.

Nach außen hin stets diplomatisch zurückhaltend, gilt Üzümcü seinen Kollegen als leidenschaftlicher Vorkämpfer der Abrüstung. „Das Motto unserer Organisation lautet 'Gemeinsam arbeiten für eine Welt frei von chemischen Waffen'“, sagte er zur am 14. Oktober anstehenden Aufnahme Syriens als 190. Mitgliedsland der OPCW. „Die internationale Gemeinschaft hat sich auf sichtbare und bedeutende Art und Weise zusammengefunden, um zu zeigen, dass dies möglich ist“, sagte er - ohne ausdrücklich zu erwähnen, dass Syriens Einlenken erst durch den Druck der USA, die mit Militärschlägen drohten, sowie Russlands erreicht wurde.

Wie gewaltig die Aufgabe der Chemiewaffenabrüstung in Syrien ist, wissen alle Mitarbeiter Üzümcüs: „Dies ist eine außerordentliche Situation für die OPCW, sie ist beispiellos. Wir stehen am Anfang eines schwierigen Prozesses voller großer Herausforderungen. Doch die OPCW ist darauf eingestellt und verfügt über das Fachwissen und die Erfahrungen, um ihr Mandat wahrzunehmen.“

Das haben die Mitarbeiter der Organisation, die ihr Hauptquartier an der Johan de Wittlaan des Haager Stadtteils Scheveningen hat, inzwischen hinreichend unter Beweis gestellt. Seit 1997 wurden mehr als 5000 Inspektionen in 86 Ländern erfolgreich abgeschlossen. Rund 58 000 Tonnen an deklarierten Waffenarsenalen wurden seitdem vernichtet - etwa 80 Prozent der bekannten Bestände. Allein schon dafür gebührt den Haager Experten und ihren Mitarbeitern in vielen Ländern hohe Ehre. Den Friedensnobelpreis verstehen die Ausgezeichneten auch als Ansporn: Bis Mitte 2014 soll Syrien frei von Chemiewaffen sein.

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