Neue und alte Drogen:Stoff für Albträume

Lesezeit: 3 min

m-CPP, Crystal, Ecstasy - neue Designerdrogen zerstören das Gehirn. Aber auch neue Züchtungen von Cannabis werden immer bedrohlicher.

Claudia Fromme

Ein wenig ist es wie beim Hasen und beim Igel: Solange eine Substanz nicht verboten ist, gilt sie als legal.

Beschlagnahmte Ecstasy-Pillen. (Foto: Foto: dpa)

Mit schöner Regelmäßigkeit liefern sich daher Drogendesigner und Strafverfolger ein Wettrennen gegen die Zeit, meist geht es um synthetische Drogen, also psychoaktive Substanzen aus dem Labor.

Derzeit wird im Bundesgesundheitsministerium die Substanz m-CPP geprüft, eine Aufnahme ins Betäubungsmittelgesetz gilt als wahrscheinlich. Meta-Chlorphenyl- Piperazin taucht seit einiger Zeit verstärkt in Partypillen mit Namen wie Rolex auf, es wirkt halluzinogen und kann zu Atemnot und Krampfanfällen führen.

Ist die Eilverordnung der Gesundheitsministerin raus, wird m-CPP illegal. Bis dahin brodelt es legal in den Drogenküchen.

Aus jenen, die an der tschechischen Grenze angesiedelt sind, drängt Methamphetamin, Szenename Crystal, auf den deutschen Markt. Es wird aus Erkältungsmitteln gekocht und geschnupft oder geraucht. Crystal unterdrückt Hunger und Durst, hält tagelang wach und macht extrem selbstsicher.

Spielt der Egostoff in norddeutschen Suchtkliniken keine Rolle, sieht es in Sachsen, Thüringen und Nordbayern anders aus. Fast jeder ihrer Klienten habe zeitweise Crystal konsumiert, sagt etwa Karla Aust, Leiterin der Drogenklinik Moritzburg bei Dresden.

Die bundesweit beschlagnahmte Menge von 16,4 Kilogramm im Jahr 2005 sei nur die Spitze des Eisberges, heißt es beim Landeskriminalamt Sachsen.

Kokain der Underdogs

In den USA gilt das Pulver, das extrem süchtig macht und ganze Hirnregionen zerfressen soll, als Kokain der Underdogs. Der World Drug Report 2006 der UN warnte eindringlich vor einer Verbreitung in Europa.

Im Dezember scheiterten die Grünen mit der Idee, eine bundesweite Aufklärungskampagne zu Crystal zu starten. Die Bundesregierung lehnte ab; die Droge sei nur "ein regional begrenztes Problem".

Bei der europäischen Polizeibehörde Europol beobachtet man Crystal sehr genau. Designerdrogen bilden den Schwerpunkt der Arbeit der Rauschgiftfahnder in Den Haag.

Europol zufolge werden 80 Prozent aller Ecstasy-Pillen weltweit in Europa hergestellt, jährlich sind das zwei bis fünf Milliarden Stück. In den neunziger Jahren war diese Aufputschdroge nur in der Technoszene zu finden, mittlerweile ist sie viel weiter verbreitet.

Naturgemäß berge das Gefahren, sagt Rainer Thomasius von der Drogenambulanz der Universitätsklinik Eppendorf. Die Ecstasy-Szene sei jetzt nicht mehr so gut zu beobachten und werde daher unterschätzt.

Dabei seien die Spätfolgen verheerend, wie der Hamburger Mediziner in einer Studie festgestellt hat: Bei Langzeitkonsumenten nimmt die Zahl funktionsfähiger Nervenzellen stark ab. Gedächtnisstörungen sind die Folge, Depressionen und Psychosen können ausgelöst werden.

Als Partydroge macht auch Ketamin Karriere, in der Szene als Kitty bekannt. Weder BKA noch Zoll stellten aber bedeutsame Mengen des Stoffs aus der Tiermedizin sicher, der auch Schweinespeed heißt. Ähnliches gilt für Liquid Ecstasy.

Auch beim Rausch aus dem Kräutergarten gibt es Zuwachsraten. Im ersten Halbjahr 2006 beschlagnahmte der deutsche Zoll 7,6 Tonnen der von der arabischen Halbinsel stammenden euphorisierenden Kaudroge Khat, dreimal mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres davor.

Signifikant haben nach einer neuen Studie der Europäischen Drogenbeobachtungsstelle psychoaktive Pilze zugenommen.

Ob Exot oder Szenestoff - im Alltag der Drogenberater spielen solche Substanzen kaum eine Rolle, sagt Olaf Reis von der Universität Rostock. Fünf Jahre lang lief dort das bundesweite Modellprojekt "Designerdrogensprechstunde"; weil bei immer weniger Fällen synthetische Drogen im Spiel sind, heißt sie heute nur noch "Drogensprechstunde".

Unterschätzte Gefahr: Cannabis

Designerdrogen seien gefährlich, sagt Reis. Unterschätzt werde nur das weit verbreitete Cannabis, von dem heute die größte Gefahr ausgehe.

Laut Drogenbericht 2006 hat jeder vierte Jugendliche schon einmal gekifft, bei den 18- bis 25-Jährigen macht das jeder fünfte regelmäßig. Manche Eltern sagten lässig: "Mein Kind kifft ja nur" - und hielten das für harmloser als zum Beispiel starken Alkoholkonsum, erklärt Olaf Reis.

Dabei ist Cannabis heute mit viel mehr Vorsicht zu betrachten als früher: Durch Spezialzüchtungen hat sich der rauschfördernde Wirkstoff THC in einigen Cannabisprodukten in den vergangenen zehn Jahren dramatisch erhöht.

Der Psychologe warnt daher vor Cannabis, denn in der Pubertät ist das Gehirn besonders anfällig für die gefährliche Wirkung dieses rauschfördernden Stoffs. Gravierende Entwicklungsstörungen, Angstzustände und sogar Psychosen können die Folge sein.

Mit neuen Wegen versucht es die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Im Internet bietet sie das anonyme Aussteigerprogramm "Quit the Shit" an; auf www.drugcom.de chatten Konsumenten mit Suchtberatern.

Das Projekt zeigt Erfolg: Mehr als 800 Konsumenten ließen sich seit dem Start Ende 2004 anonym beraten; 78 Prozent von ihnen sagen, dass ihnen das Angebot sehr geholfen habe.

© SZ vom 16.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: