Nationale Verzehrstudie 2008:Die reine Völlerei

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Zu fett, zu viel, zu süß: Wir ernähren uns schlecht. Das sagt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, die ihren alle vier Jahre erscheinenden Bericht vorlegt.

Mirja Kuckuk

Ambitionierte Gesundheitspolitiker mögen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Gerade haben Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner ihre Initiative "In Form" vorgestellt - einen Appell an die Bürger zur kollektiven Diät. Da flattert die wenig erfreuliche Nationale Verzehrstudie der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) ins Haus.

Durchschnittlich 220 Gramm zusätzliches Geflügelfleisch landete auf den Tellern der Deutschen. (Foto: Foto: iStockphotos)

Alle vier Jahre erscheint der Bericht zur Lage auf den Tellern der Nation. 2008 ist das Fazit düster: Wir sind zu dick und essen zu viel.

Das Herz der Deutschen hängt am Fleisch. Dabei wissen wir es doch besser: Wir schwärmen für die mediterrane Küche, beneiden den Tomaten essenden Italiener für sein geringes Krebsrisiko und die Franzosen für die schlanke Linie trotz Liebe für gutes Essen.

Doch die Deutschen machen einen wenig lernfähigen Eindruck. Mehr als die Hälfte der 35-jährigen Männer sind übergewichtig. Frauen bleiben zwar länger schlank, doch ab dem 55. Lebensjahr haben auch sie in der Mehrzahl zu viele Pfunde auf den Hüften. Zwölf Prozent der Deutschen geben an, Diät zu halten. Die meisten sind zwischen 14 und 24 Jahren und träumen von einer schlanken Silhouette.

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm

Sind die Eltern übergewichtig, hat auch das Kind kaum eine Chance, schlank zu bleiben. Generell stellt die DGE fest, dass die Ein- bis 18-Jährigen nicht ausreichend Vitamin D, E, Folat, Ballaststoffe, Kalzium und Eisen zu sich nehmen. Betroffen sind vor allem die Mädchen.

Nur 16 Prozent der Jungen und 26 Prozent der Mädchen essen ausreichend Obst. Dafür bekommen die Kinder zu viel Wurst, Fleisch und Eier aufgetischt. Die hohe Proteinzufuhr kann ein Grundstein für späteres Übergewicht sein. Auch Fettleibigkeit während der Schwangerschaft kann den Organismus des Ungeborenen negativ beeinflussen: Es kommen, das sagen auch andere Studien, häufiger "Sumo-Säuglinge" mit einem Geburtsgewicht weit über 3500 Gramm zur Welt.

Die "Generation Pasta" isst lieber Nudeln und Reis, sie greift seltener zur Kartoffel, obwohl diese nährstoffreicher und zugleich kalorienarm ist. 1,2 Kilogramm weniger pro Jahr essen wir im Durchschnitt von dem günstigen Gemüse. Zwar kommen häufiger auch mal Fisch und Karotten auf den Tisch als noch in den Vorjahren, doch auch der Verbrauch von Fleisch ist gestiegen. Es wird weniger Milch getrunken, dafür mehr fetter Käse gegessen. Und zu allem Überfluss: mehr Zucker.

Überfluss und Mangel

Alternative Ernährungsformen sind der Deutschen Sache nicht. Lediglich 4,2 Prozent der - jungen - Frauen leben vegetarisch. Nur 1,6 Prozent der 25- bis 34-jährigen Männer verzichten freiwillig auf Fleisch. Positive Tendenzen der Vorjahre - etwa der Verzicht auf tierische Fette zugunsten von Pflanzenölen - sind wieder rückläufig.

Während die einen unnötig viele Pfunde mit sich herumtragen, sind andere mangelernährt. Dem Bericht zu entnehmen ist auch diese erschreckende Zahl: Mehr als 60 Prozent der Menschen in Altersheimen werden nicht ausreichend ernährt. Empfohlene Referenzwerte für die Zufuhr von Ballaststoffen und Proteinen werden unterschritten. Als besonders problematisch erwies sich der allgemeine Vitamin-D-Mangel in der Ernährung der Alten. Da die Teilnahme an der Studie seitens der Heime auf freiwilliger Basis stattfand, hält die Gesellschaft für Ernährung größere Defizite für möglich.

Doch es gibt auch Hoffnungsvolles zu berichten: Der Deutsche trinkt weniger Bier und dafür mehr Wasser und verzichtet des Öfteren auf Kaffee. Lebensmittel ökologischer Herkunft werden besser kontrolliert und weisen eine geringere Belastung mit toxischen Rückständen auf. Auch mikrobiologisch steht es um unsere Ernährung besser: So ist die Übertragung von Salmonellen durch Lebensmittel zurückgegangen.

Dennoch: Die Ministerinnen Schmidt und Aigner haben sich mit ihrem Aktionsplan einiges vorgenommen. Denn schenkt man der Langzeitstudie Glauben, sind die fetten Jahre der Deutschen noch lange nicht vorbei.

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