Mode aus Russland:Sexy nach Schulschluss

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Die russische Modedesignerin Kira Plastinina ist erst 16 Jahre alt und bringt es trotzdem schon auf einen Umsatz in zweistelliger Millionen-Dollar-Höhe.

Frank Nienhuysen

Die Welt ist für Kira Plastinina gerade rosarot, und so spaziert sie auf ihrer Website federleicht und lächelnd durch eine pinkfarbene Karte der Erde: Ihr rechter Fuß setzt vor der Ostküste Argentiniens auf, das weiße Tüllkleid fällt sanft über Brasilien, ihre Haarspitzen touchieren die kanadische Seenlandschaft.

Juni 2008: Kira Plastinina versucht ihr Glück in den USA. (Foto: Foto: AP)

In Russland und Kasachstan sind ziemlich viele dunkelrosa Punkte eingezeichnet, es sind die Standorte ihrer Modegeschäfte, aber die ersten Tupfer sind auch schon in den USA versprengt. Kira Plastinina will, dass die Pünktchen über Amerika bald so dicht verstreut sind wie in einem Gesicht voller Sommersprossen. In Los Angeles hat sie kürzlich drei Shops eröffnet, einen dazu am Broadway in New York. Dabei ist das brünette Girlie vor drei Wochen erst 16 Jahre alt geworden und damit die jüngste Modedesignerin Russlands, die es auf einen Umsatz in zweistelliger Millionen-Dollar-Höhe gebracht hat.

Kira Plastinina zelebriert mit ihrer rosaroten Zauberwelt das Image einer Art Prinzessin Lillifee für Teenies, und so wattig-zart sind auch ihre Wünsche. "Wenn ich in Russland aus dem Fenster schaue und auf den Straßen Leute sehe, die meine Kleider tragen, macht mich das sehr glücklich, und so glücklich wäre ich, wenn ich auch in Amerika sehen würde, wie sie meine Kleider tragen", sagte sie einmal. Niemand sollte allerdings das scheinbar unbedarfte Glückskind unterschätzen: Auch diesen Amerika-Traum wird sie sich mit Hilfe einer gut gesetzten PR-Strategie wohl bald erfüllen.

Vor wenigen Tagen gab sie in Los Angeles unter der Anwesenheit diverser Celebrities eine Launch-Party für ihren geplanten Feldzug. Der Rhythm'n'Blues-Sänger Chris Brown war gekommen und ein paar Schauspielerinnen und noch mehr Fotografen, und spätestens seitdem ist diese Botschaft in der Welt: Kira Plastinina, die morgens in Moskau zur Schule geht und nachmittags an ihren Kleiderentwürfen arbeitet, ist eine erfolgreiche exotisch-junge Designerin für die zwölf- bis 20-Jährigen. Für kurze, aufgetuffte Röcke und Hotpants, für Lackstiefel und High-Heels. "Die Kunden sind Mädchen, die mir ähneln", sagt sie, "sie sind girlie, sie sind süß, sie sind sportlich und sexy."

Kira Plastinina schneidert Stoff, den sich junge Frauen preislich auch leisten können, aber ihre Geschäfte macht sie, wie es sich andere gerade nicht leisten können. Ihr Vater Sergej Plastinin ist ein reicher Mann, Direktor von Wimm-Bill-Dann (frei nach Wimbledon), einem führenden Hersteller von Molkereiprodukten und Säften in Russland und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten. Dem New York Magazine erzählte Kira Plastinina kürzlich, dass sie schon immer gewusst habe, mal etwas mit Mode zu machen, und dass sie deshalb aufgehört habe, Prinzessin werden zu wollen. Heute ist Plastinina irgendwie beides, aber ohne ihren Papa wäre die Symbiose wohl kaum gelungen.

Plastinin spendierte seiner Tochter bei einer ihrer ersten Modeshows in Moskau einen Auftritt von Paris Hilton, und angeblich bezahlte er dafür zwei Millionen Dollar. Die strahlende Hilton schenkte der strahlenden Plastinina einen Strauß rosa Blumen und trug gleich auch noch ihre Kleider. Der Werbeeffekt war natürlich glänzend, denn mit der Spürnase des Geschäftsmannes wurde Plastinin schnell bewusst, welches Potential sich da rund um seine Tochter entfalten ließ. Das hübsche Schulmädchen, das Ponys, Pink und Puppen liebt, aber doch schon eine sehr begabte Designerin ist, die den Geschmack ihrer Generation trifft und alle Anlagen für die High Society mitbringt. Plastinina ist die kreative Schöpferin ihres Mode-Labels und in Personalunion dessen gut zu vermarktende Repräsentantin. Eine Symbolfigur für die erste Generation postsowjetischer wohlhabender Töchter, die in aller Sorglosigkeit die Welt für sich entdecken können. In kürzester Zeit eröffnete das schneidernde Schulmädchen 49 Modeläden in Russland, Kasachstan und der Ukraine, sie ist die offizielle Ausstatterin der russischen Fernsehshow "Star Factory", "aber wir wussten sehr früh", sagt ihr Vater, "dass wir uns weltweit ausdehnen sollten."

Ihren ersten internationalen Erfolg hatte Kira Plastinina bei der italienischen Modewoche "Alta Roma" zu Beginn dieses Jahres, als die Kritiker verblüfft waren ob der Stilsicherheit der jungen Designerin. Inzwischen arbeitet sie ohnehin in einem Team, sonst müssten wahlweise ihre Schulnoten leiden oder ihr beruflicher Expansionsrausch. Allein bis zum August sollen in den USA zwölf weitere Kira-Plastinina-Geschäfte eröffnen, ein paar Dutzend mehr noch in den nächsten drei Jahren. Ihr Vater befand, dass es sich deshalb nicht schlecht machte, wenn seine Tochter im Sommer gleich nach Malibu in Kalifornien ziehe. Sie will gern surfen lernen, und das kann sie dort ohne Zweifel leichter als in Moskau.

© SZ vom 25.06.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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