Mia Ming: "Schlechter Sex":"Humor hilft"

Lesezeit: 4 min

Mia Ming hat Frauen und Männer ihre schlimmste Bettgeschichte erzählen lassen. Ihre Botschaft: Wenn man schon eine Niete im Bett erwischt, sollte man sich wenigstens darüber amüsieren.

Violetta Simon

Mia Ming wurde 1977 im Rheinland geboren. Nach ihrem Studium der Literaturwissenschaften und Kunstgeschichte arbeitete sie zunächst als Lektorin im Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag. Nach fünf Jahren hatte sie dann selbst eine Buchidee und wechselte die Seiten. In Ihrem ersten Buch "Schlechter Sex" erzählen 33 Frauen von ihren miesesten Erlebnissen im Bett. Nun ist das Pendant aus Sicht der Männer erschienen.

Sammelt Geschichten über schlechten Sex: Mia Ming. (Foto: Foto: Henrik Jordan)

sueddeutsche.de: Frau Ming, an Material zum Thema "schlechter Sex" scheint es Ihnen ja nicht zu mangeln. Ist die Situation in Deutschlands Betten wirklich so besorgniserregend?

Mia Ming: Ich war schon erstaunt, wie viele Leute mir zu diesem Thema etwas zu sagen hatten und auch darüber sprechen wollten.

sueddeutsche.de: Warum haben Menschen überhaupt schlechten Sex?

Ming: Vermutlich, weil ihre Erwartungen zu hoch sind.

sueddeutsche.de: Kann man die nicht klären, wenn man sich kennenlernt - oder spätestens beim Vorspiel?

Ming: Das ist es ja gerade: Wenn mal etwas schiefläuft, dann meistens aufgrund von Verständnisschwierigkeiten. Mangelhafte Kommunikation ist fast immer die Ursache für Probleme im Bett.

sueddeutsche.de: Und warum passiert es manchen Menschen immer wieder?

Ming: Man macht ja nicht immer wieder denselben Fehler. Bei einem One-Night-Stand wissen viele oft nicht, was auf sie zukommt.

sueddeutsche.de: Mit Verlaub, wie kann jemand guten Sex erwarten, wenn er stark angetrunken mit jemandem nach Hause geht, denn er von Anfang an nicht besonders leiden konnte? Prompt benimmt sich der andere auch noch wie ein Alien. Und das soll überraschen?

Ming: Solche Vorbehalte kann ich gut nachvollziehen. Doch gerade Männer fragen sich im Nachhinein oft: Warum nur ist es so gelaufen? Auch wenn ich hin und wieder den Kopf geschüttelt und mich gewundert habe - ich wollte diese Erfahrungen authentisch wiedergeben.

sueddeutsche.de: Warum sollte jemand Geschichten über schlechten Sex lesen wollen - ist es purer Voyeurismus? Schadenfreude? Oder die Erleichterung darüber, dass es anderen auch so geht?

Ming: Es ist eine Mischung aus Schadenfreude und geteiltem Leid. Zudem ist das Thema in der Literatur bislang nicht gerade präsent. In den Büchern geht es meistens um guten Sex, wohl, weil man damit auch besser angeben kann.

sueddeutsche.de: Welche Spielarten in Sachen "schlechter Sex" gibt es? Was sind die verbreitetsten Kriterien?

Ming: Schlechter Sex ist sicherlich ungeheuer variantenreich. Allgemein kann man sagen, er ist unbefriedigend, macht keinen Spaß und ist zum Glück meist schnell vorbei.

sueddeutsche.de: Klingt etwas vereinfacht.

Ming: Mein Buch soll auch nicht als statistische Erhebung dienen. Ich habe bei der Auswahl der Geschichten vorwiegend auf Vielfalt geachtet und darauf, dass sich kein Plot wiederholt.

sueddeutsche.de: Muss man wirklich gleich von schlechtem Sex sprechen, wenn ein Mann Erektionsstörungen hat oder sich eine Frau die Bikinizone nicht fachgerecht enthaart?

Ming: Das ist in der Tat banal. Dennoch werden diese Themen immer wieder von den Betroffenen angeschnitten. Deshalb finden sie auch Eingang in mein Buch, allerdings eher als Nebensächlichkeiten.

sueddeutsche.de: Diesem Thema haben Sie ein ganzes Kapitel gewidmet. Es liegt ja auch in Ihrer Verantwortung, solche Texte auszuwählen.

Ming: Und entsprechend habe ich auch ausgesiebt. Da gibt es noch ganz andere Größenordnungen! Viele Männer zeigen sich beispielsweise enttäuscht, wenn die Frau unbekleidet nicht mehr ihren Vorstellungen entspricht. Das ist ziemlich erschreckend.

sueddeutsche.de: Männer verstehen unter schlechtem Sex also etwas anderes als Frauen?

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Ming: Natürlich gibt es hier immer die Klischees von weiblicher Gefallsucht und männlichem Imponiergehabe, doch letztlich ähneln sich die Bedürfnisse. Jeder ärgert sich über Egoismus, Ignoranz und Eitelkeit, alle wünschen sich Einfühlungsvermögen, Phantasie und Respekt. Da gibt es zwischen Männern und Frauen keine Unterschiede.

sueddeutsche.de: Im Vorwort Ihres ersten Buches heißt es: "Gank klar - die Männer sind schuld!" Im zweiten Buch schreiben Sie vorab über Frauen, "die alles tun, um hilflosen Männern die schlimmste Nacht ihres Lebens zu bereiten". Ist das wirklich Ihr Ernst? An wem liegt es denn nun?

Ming: In erster Linie will ich mit dieser ironischen Aussage natürlich provozieren. Die meisten Erzähler versuchen einfach nur, eine Entschuldigung für ihre Erlebnisse zu finden. Letztendlich liegt es niemals immer nur am Mann oder an der Frau.

sueddeutsche.de: Sie sind also auch der Meinung, dass zu schlechtem Sex immer zwei gehören?

Ming: Absolut.

sueddeutsche.de: Vielleicht sagen wir uns einfach zu oft "Augen zu und durch" - nach dem Motto: Lieber schlechten Sex als gar keinen.

Ming: Zumindest die meisten Männer geben sich damit zufrieden, weil sie auch von einer rein mechanischen Befriedigung profitieren. Oft merkt man aber auch erst zu spät, dass es nichts mehr wird.

sueddeutsche.de: Und die Frauen - was ist ihre Motivation, sich so etwas anzutun? Angst vor Ablehnung?

Ming: Bei Frauen tritt die Erkenntnis, dass der Sex nicht gut ist, in der Regel früher ein. Auf der anderen Seite sind sie oft von Abenteuerlust geprägt, wollen einfach nur die Langeweile vertreiben.

sueddeutsche.de: Es fällt schwer zu glauben, dass die Langeweile derart groß sein kann.

Ming: Das bekomme ich jedenfalls immer wieder zu hören.

sueddeutsche.de: Dann darf man sich aber später nicht beklagen.

Ming: Im Vorfeld ist es eben oft schwierig, realistisch zu bleiben. Im Nachhinein hilft es, die Sache mit Humor zu betrachten.

sueddeutsche.de: Wie schützt man sich rechtzeitig vor schlechtem Sex?

Ming: Indem wir anspruchsvoller sind.

sueddeutsche.de: Sagten Sie nicht, unsere Erwartungen seien zu hoch?

Ming: Es geht nicht darum, wie hoch sie sind - die richtigen Erwartungen sind entscheidend.

sueddeutsche.de: Wie lautet die Botschaft Ihres Buches?

Ming: Ich will unterhalten. Wenn schon schlechter Sex, dann soll er wenigstens amüsieren.

sueddeutsche.de: Klingt einfach und gut, wenn auch ein bisschen nach Resignation. Gibt es denn gar keine Hoffnung?

Ming: Aber sicher! Sehen Sie es doch so: Mittlerweile wollen die Menschen wenigstens darüber reden. Wenn sie sich jetzt auch noch mehr Selbstironie und weniger Ich-Bezogenheit aneignen, sind wir auf einem guten Weg.

"Schlechter Sex 2" ist beim Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag als Taschenbuch erschienen. 224 Seiten, 9,90 Euro.

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