Mein erstes Mal (1): Snowboarden:Snowboard für Dummies

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Boarden lernen in zwei Tagen? Unmöglich, sagen die Freunde und Kollegen. Ich versuchte es. Und hatte Schmerzen, Schmerzen und nochmals Schmerzen. Und ein kleines Erfolgserlebnis.

Lars Langenau

Man hat mich gewarnt. Gute und weniger gute Freunde machten mir wenig Hoffnung. Eigentlich gar keine. Du und Snowboard? Ha. Und, was soll ich sagen, denn ein Journalist ist schließlich nichts als der Wahrheit verpflichtet: Sie hatten recht.

Um es vorweg zu nehmen: Das ist nicht der Autor. Sondern der österreichische Snowboarder Stefan Gimpl beim Finale des Snowboarding World Cup in Chiesa Valmalenco. (Foto: Foto: AFP)

Ich bin mittlerweile unsportlich geworden. Es gibt Personen, die bezeichnen meinen Körper gar als hingerichtet oder niedergerichtet. Was das sein soll, weiß ich nicht so ganz, da ich kein bayerisch verstehe. Kann es aber erahnen. Ich muss was tun. Keine Frage.

Joggen? Boah, wie langweilig und wie gefährlich: nur mit sich und seinen Gedanken allein zu sein. Schwimmen, siehe Joggen - plus dem Ärgernis, dass ständig jemand einem in die Bahn reinschwimmt und das Wasser oft ziemlich kalt ist. Muckibude? Würde ich doch nur im Aerobic-Raum rumlungern und bei den Tanzstunden zuschauen. Fußball? Mache ich ja unregelmäßig in der Altherrenmannschaft der SZ, aber nur noch eingeschränkt nach zwei Bänderrissen und einer Lunge, die einen manchmal ganz tief runterreißen kann.

Gruß vom Schweinehund

Immer, wenn ich mir vornehme, jetzt muss sich aber radikal was ändern, taucht unvermittelt dieser verdammte Schweinehund auf. Er steht dann grinsend vor mir und zwingt mich dazu, mir eine Zigarette nach der nächsten reinzuschieben, mich lieber mit Vollmilch als mit Wasser vollzupumpen und Soßen auf dem Mittagessen irgendwie anziehend zu finden. Eigentlich ein hoffnungsloser Fall. Doch die Redaktion meinte es gut mit mir und organisierte eine sportliche Ausfahrt. Nur für mich. Und meinen hingerichteten Körper.

(Und ich sah mich bereits wie in dem hier eingefügten Video die Hänge hinabpowdern. So stellte ich mir das vor.)

Ich durfte einen zweitägigen Snowboardkurs besuchen. LTR, Learn to Ride , wie die Profis sagen. LTR kombiniert Equipment mit Lehrmethoden und soll die Abbrecher-Quote stark verringern. Im schönen Skigebiet am Spitzingsee, in dem der einzige Burton-Snowboardpark Deutschlands liegt.

Die Region, nur eine Dreiviertelstunde Autofahrt von München entfernt, verfiel noch vor ein paar Jahren in einen Dornröschenschlaf, in dem die Gondeln Trauer trugen und die Lifte eher Frischfleischgefrierschaukeln glichen, als heutigen Ansprüchen genüge zu tun.

Doch in den vergangenen Jahren wurde hier mit Investitionen in Höhe von 15 Millionen Euro so ziemlich alles neu gemacht, was neu gemacht werden musste: Neue Lifte, neue Pisten und Beschneiungsanlagen, bessere Hütten. Und am Ufer des Sees versucht das Alpenhotel Arabella Sheraton, sich einigermaßen in die Umgebung zu schmiegen, was ganz gut gelingt. Das Hotel verfügt außerdem über einen wundervollen Wellnessbereich.

Aber, irgendwie hat sich der Schweinehund gerade wieder gemeldet, gehört das ja gar nicht so richtig zum Fitnessprogramm, das mir da verordnet wurde.

Enden wie Ötzi?

Snowboards, so lernte ich, existieren seit 1977. Obwohl ich glaube, dass sich bestimmt im vorvergangenen Jahrhundert und wohl auch schon im vorvergangenen Jahrtausend schon einmal jemand auf ein Brett gewagt und einen Berg runtergestürzt hat. Allerdings werden diese Leute wohl erst noch in irgendwelchen Gletscherspalten gefunden und dann wie Ötzi ausgestellt werden.

Das Equipment von heute ist da wohl besser. "Die Bretter haben eine rasante Entwicklung hinter sich." Sagen zumindest die Leute von Burton , deren amerikanischer Chef einst das professionelle Snowboardfahren erfunden hat.

Vor drei Jahrzehnten galten Snowboars noch als "gefährliche Waffen" und waren auf US-Skipisten verboten. Seither hat es einen gewaltigen Imagewandel vollzogen, seit 1998 ist die Sportart olympisch. Für die weltweite Profikommune von etwa 250 Leuten werden eigene Leistungsbewertungsevents mit Preisgeldern in Höhe von mehreren 100.000 Dollar ausgelobt.

Doch ein wenig kommt es mir vor, als wären die Dinger noch immer gemeingefährlich. Zumindest, wenn ich darauf stehe. Aber irgendwie auch, wenn man die Weltklasse-Snowboarder wie den Norweger Terje Hakonsen oder Shaun White aus Kalifornien zuschaut.

Grobe Unsportlichkeit

Bei den Profis geht es nicht um Schnelligkeit, so habe ich lernen dürfen, sondern um das Event an sich. In Japan zieht das bis zu 70.000 Zuschauer an. In seiner Kombination von Event, Lifestyle, Musik, sportlicher Leistungen und Fashion lässt sich das wohl nur mit Rockkonzerten vergleichen.

Das klassische Profil des Bergsports ist doch: Berg hochlatschen, runtergucken, runterlatschen. Wobei man latschen durch Skier, Snowboards, Schlitten oder auch Plastiktüten beim Runterfahren ersetzen kann.

Nun, ich hab mal eine Urkunde gewonnen: in der 4. Klasse beim Skifahren im Harz, danach das Talent leider schleifen lassen und lieber Sandburgen an der See gebaut. Nach einem Skikurs vor fünf Jahren und einem kleinen über vergangenes Weihnachten hat mich nichts auf die Berge, schon gar nicht, wenn Schnee drauf lag, gezogen.

Snowboard ist was für Leute, die früher auch gerne mit 'nem Skateboard rumgekurvt sind. Was für Sonnyboys und -girls, die im Sommer Surfen und im Winter snowboarden. Jedenfalls ist es nichts für Ü-35-Jährige. Zumal nichts für solche mit "hingerichteten" Körpern.

Ganz ehrlich: Die zwei Tage waren Horror für mich: Ich kam wegen grober Unsportlichkeit weder aus der Hocke in den Stand, jedenfalls nicht mit dem Blick in die Tiefe des Idiotenhügels gerichtet. Noch schaffte ich es, elegant in die Knie zu gehen, obwohl mir der Lehrer anschauliche Tipps gab: "Wie beim Kacken in die Hocke". Schon bei den Aufwärmübungen war ich so verschwitzt, dass ich mich danach erst mal in der Sonne ausruhen und die nasse Kleidung gerne gewechselt hätte.

Unbeschreiblicher Muskelkater

Wir haben an beiden Tagen so gegen zehn Uhr begonnen, doch um zwölf Uhr war ich mit dem Leben bereits fix und fertig. Es war grausam und vertrackt. Wenn ich es dann doch mal das Aufstehen geschafft hatte, fiel ich sofort wieder um. Und dann der Lift, der mit geschätzten drei Stundenkilometern pro Stunde Kindern im Alter von drei Jahren Vergnügen bereitet. Mir jedoch jagdte er einen kalten Schauer über den Rücken.

Profis sprachen mir Mut zu: Man brauche mindestens drei Tage, besser eine Woche, um das Brett einigermaßen zu beherrschen. Doch die hatte ich nicht, sondern real nur 1,5 Tage und die war ich nahezu am Berg festgekettet. Erst recht am zweiten Tag, dann zusätzlich noch mit einem unbeschreiblichen Muskelkater, selbst an Körperregionen, von denen ich dachte, dort keinen einzigen Muskel zu besitzen.

Ganz zum Schluss dann schaffte ich doch noch eine Drehung, eine Kurve. Und ich war stolz wie Lumpi. Leider hatte kaum jemand geguckt, weil mich alle schon als Totalversager aufgegeben hatte. Also behielt ich den kleinen Erfolg weitgehend für mich, grinste in mich hinein, ließ die Sonne in mein Gesicht scheinen und wollte diesen sensiblen Erfolg keinesfalls durch ein weiteres Missgeschick gefährden: Ich hörte einfach auf. Mit Genugtuung.

Vielleicht hätte mich der dritte Tag gerettet und ich hätte die Leidenschaft für diesen Sport noch am Rockzipfel erwischen können. Vielleicht im kommenden Winter.

In der Reihe: Mein erstes Mal testen Redakteure in loser Folge Sportarten. Nächster Teil: Skifahren mit Rundumschutz.

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