Die Anruferin fragte freundlich, ob wir Interesse am "Tag der geistigen Fitness" am 20. September hätten. An geistiger Fitness habe ich immer Interesse, also legte ich auf.
Was würde denn passieren, wenn der große Tag vorbei war? Man würde stumpfsinnig bis zum nächstes Jahr warten müssen, bis man sich wieder der geistigen Fitness würde widmen können. Der "Deutsche Apothekertag" war da schon anspruchsvoller. Er streckt sich am selben Wochenende immerhin über drei Tage hin.
Kurz darauf kam der Kollege aus dem Nachrichtenressort ins Zimmer. Er saß auf meinem gelben Sofa und war verzweifelt. Er wollte nicht mehr gedenken. Er hatte die Jahrestage satt. Gerade erst hatte er sich eingeprägt, dass nur über runde Geburtstage ab 70 zu berichten sei, mit Ausnahme des 75. und manchmal des 85. Manchmal müsse man natürlich auch über 65. Ehrentage schreiben, etwa im Fall Mick Jaggers, weil da ein Berufsjugendlicher das Rentenalter erreicht. Manchmal müsse man auch über den 55. schreiben, wenn man nie damit gerechnet hätte, dass der Geehrte überhaupt so alt wird.
Der Kollege heulte. Ich dachte daran, ihn auf den "Europäischen Depressionstag" hinzuweisen, der aber leider erst am 18. Oktober begangen wird. Vielleicht war es auch nicht klug, wenn er gemeinsam mit ganz Europa depressiv war.
Deutscher Lebertag oder lieber Welttoilettentag?
Leid ist sehr individuell, und geteilt macht es nur noch depressiver. Den "Weltsuizidpräventionstag" am 10. September hatten wir verpasst, wobei es interessant wäre zu sehen, wie man die Welt davon abhalten kann, sich vor den Zug zu werfen oder von einer Brücke zu springen. Wahrscheinlich ist das aber der falsche Ansatz, und die Welt würde sich Jupiter oder einem Asteroiden einfach in die Bahn stellen, wenn sie es ernst meint.
Ich musste den Kollegen aufmuntern, schließlich lockte bereits am 3. November der "Welttag des Mannes", der sinnvollerweise am selben Tag wie der "Hubertustag" begangen wird, der zu Ehren der Jäger stattfindet. Gut, beim "International Day for Preventing the Exploitation of the Environment in Wars and Armed Conflicts", der am 6. November begangen wird, handelt es sich eher um einen Pflichttermin. Der bringt im Zweifel harte Arbeit, aber keine Entlastung für die zerrüttete Seele mit sich.
Eine Dienstreise musste her. Warum nicht nach Wales, wo am 11. November dieses Jahres ein ganz besonderer Ehrentag begangen wird? 20 Jahre ist es am 11. November her, dass der mit 58 Buchstaben längste Ortsname der Welt - er lautet Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch - um glatte 38 Buchstaben abgekürzt wurde zu einem viel handlicheren Namen, nämlich Llanfairpwllgwyngyll.
Auf dem Rückweg würde sich dem Kollegen allerdings die schwierige Frage stellen, ob er sich am 14. November dem "Weltdiabetestag" oder - wo er doch gerade in Wales war - dem 60. Geburtstag von Prince Charles widmen sollte.
Der Prince of Wales war sicher eine Ausnahme in der Ehrentagsberichterstattung, war doch nie zu erwarten, dass er als Jugendwart für den Thron dieses Alter erreichen würde und vermutlich seine eigentliche Arbeit erst antritt, wenn er das Rentenalter erreicht.
Der Kollege war verzweifelt und schien dem Welttaschentuchtag alle Ehre zu machen, der sicher auch bald begangen wird. Wahrscheinlich musste man ihn von allen äußeren Reizen abschirmen. Dazu würde sich vielleicht der "Deutsche Lebertag" am 20. November anbieten, der sich die Ehre allerdings mit dem "Africa Industrialization Day" teilen muss.
Noch geeigneter für wahre Kontemplation wäre der 19. November. An diesem Tag wird der "Welttoilettentag" gefeiert. Der inneren Besinnung in aller Stille tut es sicher keinen Abbruch, dass am selben Tag auch der "Tag der Philosophie" begangen wird.