Immer ist nur von Herrn Lehmann die Rede. Als Wirtschaftsjournalist erklärte er Kleinanlegern vor der "Tagesschau" ein paar Jahre lang das Leben an der Börse. Als Torwart betreute Herr Lehmann ein paar Jahre lang den Strafraum diverser europäischer Klubs und der deutschen Nationalmannschaft.
Als Titelfigur des Debut-Romans von Sven Regener stand Herr Lehmann auf den Bestseller-Listen. Herr Lehmann ist also viel herumgekommen in letzter Zeit. Er hat Karriere gemacht.
Dabei bleibt natürlich einiges auf der Strecke, vielleicht sogar Frau Lehmann. Hat in all' der Zeit eigentlich jemals jemand nach Frau Lehmann gefragt, wie es ihr geht?
Stellvertretend für die Frauen Lehmänner dieser Welt ist Conny Lehmann vergangene Woche zusammengebrochen. Am 18. Juni erlitt sie einen Schwächeanfall in der Schlussphase der spannenden Europameisterschafts-Partie gegen Portugal.
Eine Kollegin, die sich zur großen Gemeinschaft der Benachteiligten dieser Welt zählt, wollte Erklärungen. Sofort. Sie saß auf meinem gelben Sofa und drohte andernfalls mit Kollaps.
The German Disease
Ferndiagnosen hatten wir nicht im Studium, aber vielleicht war es Frau Lehmann einfach zu heiß. Vielleicht war es auch ein stummer Aufschrei des Herzkreislaufsystems. Ihr Jens stand zu dieser Zeit jedenfalls wieder im Blickpunkt, weil er alle Hände voll zu tun hatte, den 3:2-Vorsprung gegen anstürmende Portugiesen zu retten. Keiner achtete auf Frau Lehmann. Bis sie auf der Tribüne zusammenbrach.
Vielleicht war ihr alles zu viel. Der ständige Wechsel. Erst Schalke, dann der AC Mailand, dann wieder zurück ins Ruhrgebiet zu Borussia Dortmund. Schließlich die Metropole London, wo Jens beim FC Arsenal oft die Bank drücken musste. Demnächst der absolute Höhepunkt mit der Weltstadt Stuttgart und dem Weltklasse-Club VfB. Und immer Torwart-Titan Kahn im Hinterkopf. Da streikt der Körper irgendwann.
Ein plötzlicher Zusammenbruch in mittleren Jahren kann verschiedene Ursachen haben, ist aber zumeist harmlos. Manchmal ist nur der Blutdruck zu niedrig. Dann ist der Kopf unterversorgt. Dass das bei Spielerfrauen häufig vorkommt, ist ein gemeines Gerücht.
Ähnlich gemein wie der internationale Ausdruck für niedrigen Blutdruck: German Disease. Angelsachsen glauben nämlich nicht, dass die Hypotonie, wie niedriger Blutdruck auf Medizin-Deutsch heißt, eine Krankheit ist und belohnen Hypotoniker deshalb mit niedrigeren Beiträgen zur Krankenkasse.
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Mädchen schlägt man nicht
Womöglich war Frau Lehmann auch zu aufgeregt und hyperventilierte. Ob ihr Jens dem Druck standhalten würde? Wird zuviel Sauerstoff eingeatmet, schwinden die Sinne. Erstes Anzeichen ist die Pfötchen-Haltung, eine Verkrampfung der Hände, ähnlich der Armbewegung eines Torwarts, der eine Flanke abfängt.
Ärzte und Sanitäter kennen diese Symptome von den irren Mädchen, die ihre Idole ankreischen und dabei zu viel Luft auf einmal bekommen. Gegen den Kollaps hilft ein Klapps. Am besten auf die Wange. Dann sind sie so perplex, dass sie den Atem anhalten und ihr Blut entlüften. Aber Mädchen schlägt man nicht.
Vielleicht erhöhte sich die Atemfrequenz Frau Lehmanns nicht aus Sorge um Jens, sondern aus Begeisterung für Cristiano Ronaldo dos Santos Aveiro. Portugals Stürmerstar gilt nicht nur als dribbelstärkster und gegeltester Fußballer der Welt, sondern auch als Mister Waschbrettbauch und Teenie-Schwarm.
Was, wenn Conny Lehmann über das Ausscheiden des eleganten Schönlings traurig war und zugleich wusste, dass ihr dröger Jens noch mehrere Tage im Alpenraum zu tun haben würde? Bundestrainer Joachim Löw hatte zwar über seine Frau gesprochen, damit aber treffende Worte für die rein ästhetisch-erotische Beziehung vieler Frauen zum Fußball gefunden: "Ahnung nein, Interesse ja".