Männer:Rolf

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(Foto: N/A)

Eine der Fragen, die Männer und Frauen auf destruktivste Weise gegeneinander in Stellung bringt, widmet sich dem Einpark-Können von Frauen. Deshalb würde unsere Autorin gerne einmal Männer dabei aufnehmen, wie sie ihr zusehen, wenn sie einparkt.

Von johanna adorján

Ich hab mal ein Buch gekauft, weil ich den Titel so toll fand, einen Bildband eines amerikanischen Fotografen namens Ed Panar. Es heißt: "Animals that saw me". Auf den Fotografien ist immer ein Tier zu sehen, das direkt in die Kamera guckt. Ob das eine Kuh ist, die an einem Zaun steht, ein Hund, der in der Dämmerstunde gerade zufällig aus einem Fenster sieht, ein kleiner Waschbär, der unter einem Holzverschlag hervorspitzt, sie alle hat Ed Panar genau in dem Moment mit seiner Kamera erwischt, als sie ihn eben gerade ansahen.

Ich würde gerne einen ähnlichen Bildband mit dem Titel machen: "Männer, die mir beim Einparken zusahen". Seit 1990 tun Männer das, so lange parke ich schon ein. Sie tun es nicht nur bei mir, sie tun es generell bei Frauen, die einparken, was mich eher erleichtert, als mich in meiner Eitelkeit zu kränken. Alle diese Männer eint, dass ich sie nicht persönlich kenne. Weitere Merkmale: Sie sind zwischen 42 und 85 Jahre alt, haben Haare oder keine mehr, sind eher mittelmäßig angezogen als elegant, neulich habe ich sogar einen gesehen, der hatte einen Rucksack auf, ordentlich mit beiden Trägern um, wie ein Kind. Diesen möchte ich jetzt mal herausgreifen, vielleicht erkennt er sich ja und meldet sich, was nur zu begrüßen wäre, denn zu gerne würden wir, und ich spreche jetzt ausnahmsweise mal kollektiv für uns Frauen, zu gerne würden wir auch einmal die Gegenseite hören, was sie denkt, was sie umtreibt und bewegt, ihre Hoffnungen, Wünsche, Enttäuschungen, Gefühle.

Der mit dem Rucksack also war eher klein, vielleicht 58 Jahre alt, hatte einen grauen Bart und gerötete Gesichtshaut. Er trug eine rote Allwetterjacke und sah aus, als hieße er vielleicht Rolf und arbeite, keine Ahnung, irgendwas mit Locher.

Rolf bog zu Fuß in die kleine ruhige Seitenstraße in Berlin ein, die ich gerade entlanglief. Auf der Straße parkte ein Wagen ein, was ich nicht bemerkt hatte, mein Gott, Autos, aber Rolf sah hin, sah richtig hinein, ein spitzes Lächeln umspielte seine Mundwinkel und er verlangsamte seine Schritte. Und dann sagte er, ganz alleine und gut hörbar: "Ja, ja." Neugierig geworden sah nun auch ich ins Auto. Darin saß eine Frau, neben ihr auf dem Beifahrersitz sogar noch eine. Die beiden unterhielten sich, während die Fahrerin einparkte, übrigens ganz normal, weder auffallend schnell noch unschön den Bordstein entlangquietschend, ein Malheur, das zum Beispiel mir gerne passiert, wenn ich Zuschauer habe.

Ganz kurz blieb Rolf stehen, doch da zeichnete sich schon ab, dass es der Frau gelingen sollte, das Automobil tatsächlich eigenhändig passgenau in die Lücke zu manövrieren, die sich zwischen zwei bereits parkenden Wagen befand. Als er nun also den Blick von ihr nahm und seinen Weg fortsetzte, meinte ich leichte Enttäuschung in der Art wahrzunehmen, wie er die Schultern hängen ließ, aber das mag Interpretation sein.

Ich habe wirklich kurz überlegt, ihm hinterherzulaufen und ihn zu fragen, was sein "Ja, ja" zu bedeuten hatte. Aber es waren gerade Chemnitz-Wochen, und ich hatte die Nase voll von deutschen Arschlöchern, und wahrscheinlich hätte er sowieso alles geleugnet und behauptet, er hieße gar nicht Rolf.

© SZ vom 08.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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