Männer-Kolumne:Männer aktuell, diesmal: Oliver

Lesezeit: 2 min

Oliver B. und Oliver S. (Foto: Illustration Jessy Asmus)

Unsere Autorin war erst zehn und ging noch zur Grundschule - da stand sie plötzlich vor einer Frage von schicksalhafter Bedeutung: Welchen der beiden Olivers in ihrer Klasse sollte sie heiraten?

Von Johanna Adorján

In meiner Grundschulklasse gab es zwei Olivers. Oliver B. und Oliver S. Ich fand beide wahnsinnig schön und war sehr aufgeregt, wenn sie mit mir sprachen, was sie glücklicherweise nie taten. Im Nachhinein war ich möglicherweise verknallt, wobei es ja nie leicht ist, die Gefühle zu deuten, die man für jemanden hegen kann (oder auch nicht), zumal wir hier über Menschen reden, die neun, zehn Jahre alt sind, aber es ist ja auch später im Leben schwer zu fassen.

Man denke nur an Prinz Charles, der am Tag seiner Verlobung mit der damals 19-jährigen Diana von Journalisten die Frage gestellt bekam, ob er verliebt sei: "Are you in love?" Und während Diana die Frage mit einem fast unhörbaren "Of course" beantwortete, nachdem sie verlegen die Augen verdreht hatte und rot geworden war, fiel Charles' Reaktion irgendwie unromantischer aus: "Whatever love means", sagte er spitz.

Ich war zwar erst zehn. Aber es ging um nicht weniger als meine erste Ehe

Was immer Liebe bedeutet, irgendetwas in diese Richtung jedenfalls empfand ich wohl für beide Olivers aus der 4b. Nach der Schule verbrachte ich weite Teile meiner Freizeit damit, das Für und Wider für den einen wie den anderen durchzugehen, denn aus irgendeinem Grund glaubte ich, mich entscheiden zu müssen. Sie waren unterschiedlich wie Tag und Nacht, aber genau das machte es ja so schwer.

Oliver B. war hübsch, zierlich und ruhig, mit einem verschmitzten Humor. Oliver S. war fast weißblond und sah genau so frech aus, wie er auch war. Der eine war eher ein Einzelgänger, der andere ein Anführertyp, beides hatte was, wie ich fand. Der eine lachte nett, der andere etwas meckernd, und was ich an Oliver S. auch nicht mochte, war, dass er von allen Jungen aus der Klasse derjenige war, der dieses saublöde "Deckel hoch, der Kaffee kocht"-Spiel am lustigsten fand, bei dem die Jungen den Mädchen von hinten den Rock hochzogen und dann wegrannten. Dafür war mit ihm immer etwas los. Ein paar Tage lang war plötzlich ausschlaggebend, dass Oliver B.s Nachname meiner Meinung nach viel besser zu meinem Vornamen passte.

Kein Wunder, dass ich mir die Sache so zu Herzen nahm, es ging schließlich um nicht weniger als meine erste Ehe. Aber wer von beiden sollte es sein? Ich wurde immer verzweifelter, ohne dass die beiden Olivers irgendetwas ahnten.

Und dann kam der Tag der Entscheidung. Es war der letzte Schultag vor den Sommerferien. Wir spielten Fußball, Jungen und Mädchen zusammen, ich war in der Mannschaft des weißblonden, frechen Oliver S. Irgendwann lag der Ball vor meinen Füßen und ich lief los, kam auch gut durch, ehrlich gesagt sogar fantastisch, dafür dass es das erste Fußballspiel meines Lebens war (und auch das letzte). Kurz vor dem Tor jedoch verließ mich der Mut, und ich verschoss spektakulär, der Ball landete in der Hecke. Es war wirklich wahnsinnig peinlich, ich hätte mich am liebsten in Luft aufgelöst.

Kurz darauf hatte Oliver B. den Ball, also der Oliver in der gegnerischen Mannschaft, der stillere, mit den dunkleren Haaren. Er lief los, lief zur Überraschung aller in Richtung des eigenen Strafraums, wo ich gerade so jämmerlich versagt hatte, und rief, während er das Eigentor schoss: "Für Johanna!"

Damit war es entschieden. Oliver B. würde es sein. Nur waren dann eben Ferien, und anschließend gingen wir auf verschiedene Gymnasien, und ich habe ihn nie wieder gesehen.

© SZ vom 30.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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