Männer:Heiner

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Im außereuropäischen Ausland ist man oft genau den Typen ausgesetzt, von denen man sich in Deutschland doch noch so gut fernhalten konnte.

Von Johanna Adorján

Heiner war schon mal im Ausland. Er ist daher Experte. Wir treffen ihn in Asien. Der Ort ist Siem Reap, Kambodscha, könnte aber auch anderswo sein. Hauptsache, außerhalb Deutschlands, also Feindesgebiet, Feindes natürlich mit zu Anführungszeichen gekrallten Obacht!-Spaß!-Fingern.

Anhand des zerlesenen Spiegel auf unserem Frühstückstisch hat er uns als deutsch oder zumindest deutschsprachig ausgemacht und gibt uns nun ungefragt Tipps. Schließlich gehören wir offenbar zur selben Gruppe. Es ist dies exakt die Gruppe, zu der zu gehören man sich in Deutschland mit zunehmender Dringlichkeit wehrt, aber eine lange Flugreise weiter und Pech gehabt.

Reisen, heißt es, öffne Horizonte. Bei manch einem aber bleiben diese recht eng

Dabei meint es Heiner vermutlich wirklich gut. Deshalb sein verschwörerischer Ton. Auf keinen Fall ein Taxi vom Hotel rufen lassen, winkt sein Zeigefinger besorgt, die würden einen nur ausnehmen. Stattdessen Tuk-Tuk von der Straße, aber auch da solle man sich bloß nicht verarschen lassen, denn aufs Touristenverarschen ist der Asiate, den Heiner vereinfachend schon mal im Singular nennt, offenbar aus. Grad gestern erst hätten ihm hier Gäste erzählt, übrigens eine ganz nette Familie aus Hildesheim, dass ihnen der Fahrer, der sie nach Angkor gefahren hätte - Kenner wie Heiner kürzen Angkor Wat natürlich ab -, für den Tag 13 Dollar abgenommen hätte. Elf Euro, rechnet er kopfschüttelnd um. Dabei gehe das viel günstiger, man dürfe sich halt nicht abziehen lassen, und das würden die natürlich immer versuchen, da müsse man höllisch aufpassen. "Handeln", er schlägt mit der Rückseite seiner Hand in die offene andere, "immer handeln."

Trinkgeld geben müsse man übrigens nicht, da habe er sich informiert. Das Essen in dieser Stadt sei generell schlecht. Die Bedienungen unfreundlich. Und sowieso, zu viele Touristen.

Heiner weiß auch alles über die beste Uhrzeit zur Besichtigung des Ta-Prohm-Tempels, obwohl der ja kaputt sei heute, seit "Tomb Raider" mit Angelina Jolie da gedreht wurde. Das sei früher, vor diesem Massenandrang, natürlich 'ne ganz andere Geschichte gewesen. Also nach sieben Uhr morgens könne man es sowieso vergessen. Von den bettelnden Kindern solle man sich nicht stören lassen, einfach ignorieren. Und dann weiß er noch von irgendeinem Sandfloh, der die an sich wohl sehr schönen Strände Kambodschas ruiniere, weshalb er selbst auch nach Thailand weiterflöge, "damit macht man ja nie was verkehrt".

Neben ihm steht die ganze Zeit seine Freundin, die blonden Haare zu einem Zopf geflochten, der ihr bis fast zum Po reicht, wobei er immer dünner wird, bis er unten fast nur noch aus einem Haar besteht. Sie sagt kein Wort und sieht irgendwie mitgenommen aus, aber das könnte zu gutwillig auf sie draufprojiziert sein.

Morgen früh also geht es nach Bangkok. Derselbe Fahrer, der sie hergefahren hat, fährt sie auch wieder nach Phnom Penh zurück. War ein Tipp vom Reisebüro zu Hause in Bonn. Tadellos. Wirklich guter Preis. Neuwagen mit Air Condition. Trinkgeld mit inbegriffen. Sogar Wasserflaschen habe es für sie gegeben, umsonst. Zum ersten Mal so was wie Anerkennung in seinem Gesicht. So viel Glück, er kann es kaum fassen. Oder wie das in seiner Welt heißt: "Da kann man nicht meckern."

© SZ vom 14.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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