Männer:Bertrand

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Niemand ist auf der Tanzfläche, der Raum ist so gut wie leer. An der Rezeption sitzt ein Mann, der auf den ersten Blick okay aussieht, auf den zweiten schmierig. Warum ist die Musik nur so irre laut in dem Hotel? Und warum stellt die keiner ab?

Von Johanna adorján

Zwei Uhr morgens. Im Hotel nebenan wird eine Party gefeiert, die Musik, im Moment 80er-Jahre-Hits, ist so laut, dass in meinem Schlafzimmer jede Textsilbe zu verstehen ist. "Take on me (Take on me). Take me on (Take on me)." Langsam würde ich doch gerne schlafen. Ich suche im Internet nach der Nummer des Hotels und rufe an.

"Guten Abend", meldet sich ein Mann.

"Guten Abend, ich wohne neben Ihnen, und die Musik ist sehr laut ..."

(Pause) "Welche Musik?"

"Oh, ist das nicht das Hotel Zur Brezl?" ( Name geändert)

"Nein, das ist das Hotel Zur Semmel." (Name geändert)

"Entschuldigen Sie vielmals, dann habe ich mich verwählt."

Nach dem Auflegen sehe ich noch mal auf der Homepage nach, vergleiche die Nummer mit der gewählten: richtige Nummer, richtiges Hotel, es gibt kein Vertun.

Jetzt werde ich wütend. Ich ziehe mir eine Jacke über und verlasse die Wohnung. Mein Weg führt direkt am Veranstaltungsort vorbei, ein Mehrzweckraum im Erdgeschoss, in dem tagsüber oft Menschen um einen Tisch sitzen, aus kleinen Apfelsaftflaschen trinken und müde auf ein Flipchart schauen. Für den heutigen Abend wurde er mit violettem Licht zur Discohölle umfunktioniert. Niemand ist auf der Tanzfläche, wie durch die Gardinen zu sehen ist, der Raum ist so gut wie leer.

An der Rezeption sitzt ein Mann, der auf den ersten Blick okay aussieht, auf den zweiten schmierig. Im Büro dahinter sitzt noch ein Mann am Computer und tut, als könne er uns nicht hören.

"Ich hab gerade angerufen, ich wohne nebenan, die Musik ist zu laut."

Mann 1: "Kann ich ja nichts dafür."

"Sie arbeiten doch hier."

"Ja. Aber doch nicht fürs Bankett."

"Aber im Hotel, also sagen Sie denen von der Party doch bitte, dass sie leiser machen sollen."

Die Männer wechseln einen Blick.

"Okay, sagen wir denen", sagt Mann 1.

Auf dem Rückweg sehe ich, dass sie sich unterhalten, das Fenster zum Büro ist gekippt, ich bleibe stehen und lausche. Die beiden reden sehr leise. Was ich verstehe: Musik ab 22 Uhr... kann ich doch nichts... werde doch nicht... Hochzeitspaar... leiser...

Ich gucke den beiden ein paar Minuten beim Nichts-Unternehmen zu, dann gehe ich wieder zurück.

"Es ist immer noch nicht leiser. Und was machen wir jetzt?"

Mann 1: "Ist schon in Auftrag gegeben worden."

"Ist es nicht."

"Was. Wie können Sie so etwas sagen."

"Lustigerweise steht das Fenster offen, ich habe alles gehört. Ich würde echt ungern die Polizei rufen, aber..."

Wie auf Stichwort läuft Mann 2 los, verschwindet in Richtung Musik. Er hasst mich. Ich hasse ihn auch.

Mann 1: "Uns sind die Hände gebunden, wir sind hier nur am Empfang."

"Na so was, ist das Hotel herrenlos. Wissen Sie was, verarschen Sie sich doch selber."

"Wie reden Sie mit mir."

"Wie reden Sie denn mit mir. Sie haben mich ja sogar angelogen. Wie heißen Sie, ich notier mir jetzt Ihren Namen."

"Was soll das. Wie heißen denn Sie? Ich werde Sie anzeigen."

"Sie mich? Und wofür? Weil ich mir Ihren Namen notiere?"

In diesem Moment wird die Musik leiser. Ein besoffener weiblicher Partygast wankt an uns vorbei.

© SZ vom 22.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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