Läuse:Das große Krabbeln

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Auf deutschen Köpfen sind die Läuse auf dem Vormarsch. Experte Michael Forßbohm erklärt, wie man die unliebsamen Parasiten wieder los wird und warum große Putzorgien unnötig sind.

Monika Maier-Albang

Die Läuse vermehren sich rasant. Alleine in München hat hat die Zahl der Fälle seit 1999 von 245 auf 882 zugenommen. Wie man die Tierchen wieder los wird, erklärt Michael Forßbohm vom Gesundheitsamt Wiesbaden, einer der bundesweit führenden Läuseexperten.

Zeichnung einer Kopflaus (Foto: Foto: OH)

SZ: Herr Forßbohm, warum fühlt sich die Laus so wohl in unseren Schulen und Kindergärten?

Forßbohm: Der Laus gefällt es überall, wo Menschen dicht beisammen sind und die Köpfe zusammenstecken. Und die Laus hatte Jahrtausende Zeit, Überlebensstrategien zu entwickeln: Sie ist flink, druckresistent, gut getarnt.

Auf jedem zwölften Kopf krabbelt es

SZ: In Wiesbaden haben laut Statistik drei Prozent der Mädchen einmal pro Jahr Läuse. Doch das sind nur die gemeldeten Fälle. Wie hoch schätzen Sie die tatsächliche Verbreitung ein?

Forßbohm: In Wales sind für eine Studie Grundschüler abgesucht worden - die Forscher wurden an jedem zwölften Kopf fündig. Wobei Mädchen wegen der längeren Haare doppelt so oft betroffen sind wie Jungs. Würde man bei uns gezielter hinsehen, würde man auch viel mehr krabbeln sehen.

SZ: Großeltern sagen: So viele Läuse wie heute gab's früher nicht. Stimmt das?

Forßbohm: Das wissen wir nicht. Es gibt keine Daten dazu. Die Generationen vor uns haben Lausbefall noch konsequenter verschwiegen als wir.

SZ: Selbst vernünftige, erwachsene Menschen tun sich immer noch schwer mit dem Outing...

Forßbohm: Und genau dieses schamhafte Schweigen begünstigt die Ausbreitung der Laus. Dabei ist die Bekämpfung gar nicht so viel Arbeit. Man muss sich eine Viertelstunde Zeit nehmen, den Kopf der Kinder untersuchen und mit Kamm und Medikament behandeln.

Übertragung durch direkten Kontakt

SZ: Überall wird doch empfohlen, die Wohnung durchzusaugen bis hin zum Autositz und sämtliche Wäsche heiß zu waschen oder einzufrieren, die mit dem Kinderkopf in Berührung gekommen ist.

Forßbohm: Ich erlebe immer wieder, dass Lausbefall Putzorgien zur Folge hat. Aber man sollte da nicht in Panik verfallen. Die Laus kann nur bis zu 55 Stunden ohne Blut überleben. Im Einzelfall gelangt sie wirklich mal über eine ausgetauschte Mütze oder einen Fahrradhelm von einem Kopf auf einen anderen. Aber dass sie übers Kuscheltier oder ein Kopfkissen von Kind zu Kind wandert, ist extrem unwahrscheinlich. Die Übertragung geschieht in der Regel durch direkten Kontakt.

SZ: Wenn die Übertragung nicht durch Mützen geschieht - warum sind Läuse dann im Winter besonders verbreitet?

Forßbohm: Auch so ein Gerücht, das sich hartnäckig hält. Wir können in Wiesbaden keine saisonalen Häufigkeiten feststellen. In einem Jahr ist es im Juni am stärksten, im nächsten Jahr im September. Das ist auch plausibel. Während zum Beispiel die Zecke in der Natur lebt und stark temperaturabhängig ist, lebt die Laus auf dem Kopf. Da hat sie immer angenehme Bedingungen.

SZ: Wie erkenne ich, dass mein Kind von Läusen befallen ist?

Forßbohm: Wenn das Kind sich häufig kratzt, sollte man über den Schläfen, am Nacken, über den Ohren nachsehen. Hier sind die Eier am besten auszumachen, und auch die typischen Einstiche mit Kratzspuren. Der Stich selbst ist nicht zu merken, weil Läuse ein Lokalanästhetikum mit in den Stichkanal geben. Zum Juckreiz kommt es erst, wenn der Körper eine Allergie gegen das Speichelantigen der Laus ausbildet. Das dauert beim ersten Befall ein paar Wochen, bei wiederholtem Befall kommt der Juckreiz schon während des ersten oder zweiten Tages.

SZ: Die Laus selbst ist mit bloßem Auge ja nur schwer zu entdecken.

Forßbohm: Mit Ruhe, gutem Licht und Kamm sind Läuse relativ leicht zu finden. Es hilft, das Haar anzufeuchten und eine Haarspülung zu nehmen. Dann ist die Laus nicht so mobil. Die Nissen, also die Eier der Laus, sitzen am Haarboden und sie erkennt man tatsächlich schwer. Mit einer Lupe kann man aber auch die glasig dunklen Eipakete entdecken. Jene Nissen, die gut an den Haaren sichtbar sind, sind übrigens leere Hüllen, die sich mit dem Wachstum des Haares schon von der Kopfhaut entfernt haben.

SZ: Wie bekämpfe ich Läuse?

Forßbohm: Zum einen mit dem Nissenkamm. Auskämmen allein reicht aber nicht. Man braucht schon ein Mittel.

SZ: Nur welches der vielen? Greife ich zur Chemie oder zum Naturpräparat?

Forßbohm: Ich habe ja Verständnis dafür, dass man bei Gemüse etwas Biologisches nimmt. Aber bitte nicht bei Läusen. Einer der Hauptgründe, warum sich die Tierchen bei uns so wohlfühlen, ist, dass viele Menschen lieber etwas vermeintlich Sanftes nehmen. Wenn es dann nicht hilft, wird es zigmal angewendet. Am Ende hat man keine Wirkung, nur Nebenwirkung.

SZ: Die Sorge vor Mitteln, die Lindan enthalten, das die Nerven schädigen kann, ist doch verständlich.

Forßbohm: Es gibt in Deutschland drei zugelassene Arzneimittel auf Lindanbasis, nämlich Jacutin Gel, Infectopedicul Lindan Gel und Delitex Haarwäsche N Gel. Sie sind rezeptpflichtig und man sollte sie tatsächlich nur benutzen, wenn sonst nichts hilft. Die anderen drei, frei in der Apotheke verkäuflichen, sind Goldgeist forte, Jacutin N Spray und Infectopedicul. Im Übrigen lassen sich Natur und Chemie nicht so einfach trennen. Goldgeist forte etwa enthält ein Chrysantemenextrakt. Und mittlerweile sind auch die "chemischen" Produkte so gut aufbereitet, dass weniger giftige Stoffe durch die Haut eindringen. Für weitere am Markt frei erhältliche Mittel muss der Hersteller keinen Nachweis erbringen, ob sie wirksam und unschädlich sind. Das bedeutet nicht, dass sie im Einzelfall wirkungslos sind, wir haben nur zu wenig Daten, um sie empfehlen zu können. Bislang wurde von den Medizinprodukten nur das Mosquito Läuse Shampoo vom Umwelt-Bundesamt geprüft, mit erfreulichem Ergebnis.

In Deutschland keine Forschungsmittel

SZ: In den USA wird zur Zeit ein Föhn entwickelt, der Läuse austrocknen soll - garantiert nebenwirkungsfrei für den Patienten. Die Rettung?

Forßbohm: Wäre schön, wenn es klappt. Wir wissen es noch nicht. Es gibt in Deutschland ohnehin kaum Untersuchungen zum Läusethema und auch keine Forschungsmittel. Obwohl sicher ein öffentliches Interesse besteht.

SZ: Also müssen Eltern weiter mit Medikamenten behandeln. Und zwar zweimal hintereinander, sobald die Laus entdeckt ist. Wieso?

Forßbohm: Nicht nur zweimal, sondern auch noch zur richtigen Zeit. Die zweite Behandlung muss zwischen dem achten und zehnten Tag nach der ersten erfolgen. Denn zuerst tötet man nur die schon geschlüpften Läuse, nicht aber die gefüllten Eier. Die Larven schlüpfen nach maximal sieben Tagen und man muss sie abtöten, bevor sie geschlechtsreif werden.

SZ: Braucht man ein Attest, damit das Kind die Schule wieder besuchen darf?

Forßbohm: Wegen Läusen muss ein Kind nicht einen Tag in der Schule fehlen. Nach korrekter Anwendung eines zugelassenen Arzneimittels sind alle übertragbaren Läuse tot. Man braucht also nur eine Bestätigung der Eltern, dass sie ihr Kind mit einem zugelassenen Läusemittel behandelt haben.

SZ: Man wird dem Läuseproblem aber nur Herr, wenn alle Eltern mitmachen - und das ist oft nicht der Fall.

Forßbohm: Die beste individuelle Behandlung nutzt nichts, wenn die Eltern nicht zusammenarbeiten. Mit rascher Information, sorgfältiger Untersuchung aller Kinder in der Gruppe und korrekter Behandlung wird man Erfolge gegen die Kopfläuse erzielen. Wichtig ist auch die Vorbeugung. Ich empfehle, im Kindergarten- und Grundschulalter das Kopfhaar regelmäßig alle ein bis zwei Wochen zu durchsuchen.

© SZ vom 5.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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