Kolumne: Mein Bauch gehört mir:Schlank im Schlaf

Lesezeit: 3 min

Wenn bei Paaren die Leidenschaft einschläft, müssen sie sich andere Betätigungsfelder im Bett suchen. Eine Möglichkeit: Abnehmen.

Jürgen Schmieder

Es war am Mittwochabend: Meine Frau und ich aßen Spaghetti und sahen ein wenig fern. Es lief eine Werbesendung für Schokolade. Es wurden verschiedenfarbige quadratische Tafeln gezeigt, eine Stimme aus dem Off sagte: "365 Tafeln im Jahr - und das bis an Dein Lebensende." Ich wollte mich zu meiner Frau umdrehen, doch sie sah mich schon mit strahlenden Augen an und grinste.

"Schlank im Schlaf, das ist genau das richtige für einen faulen Sack wie mich", denkt sich der Kolumnist. (Foto: Foto: iStock photo)

Wäre es um Geld nach dem Motto "3000 Euro jeden Monat bis du stirbst" gegangen: keine Regung. Bei Schokolade jedoch: Aufregung pur. Ich widerspreche meiner Kollegin Violetta Simon und ihrer Kolumne "Luft und Liebe" nur ungern, aber bei manchen Paaren stirbt die Leidenschaft auch nach Jahren nicht - es muss einfach nur Schokolade im Spiel sein, dann klappt auch der Rest.

Meine Frau hat auch die Diät entdeckt, die ich in dieser Woche ausprobieren wollte. In einer Zeitschrift wurde das Buch "Schlank im Schlaf" der Herren Pape, Schwarz, Trunz-Carlisi und Gillesen besprochen. Die Rezension habe ich nicht gelesen, der Titel reichte mir. Schlank im Schlaf, das ist genau das richtige für einen faulen Sack wie mich. Sofort habe ich meinem Chef vorgeschlagen, dass ich in dieser Woche daheim bleiben und ausreichend schlafen müsse, um genügend abzunehmen. Er lehnte ab. Sollte ich dick bleiben, ist er schuld.

Am Anfang des Buches gibt es einen Test, bei dem ich bestimmen soll, welcher Esstyp ich bin: ein Ackerbauer oder ein Nomade. Der Ackerbauer ist ein Kohlenhydrate-Esser und verwendet Gemüse und Salat aus eigenem Anbau. Der Nomade ist ein Fleisch-Fresser, der Wildgemüse saisonal verwendet.

Ich machte also den Test: Verspüre ich nach dem Naschen schon nach kurzer Zeit wieder Heißhunger auf Süßes? Natürlich. Fühle ich mich kraftlos und schwindelig? Riiiichtig. Esse ich nur kleine Portionen? Ja, niemals nicht. Nach sieben Fragen ist klar: Ich bin ein ackerbauernder Nomade.

Ich führe noch den Gesundheitstest durch, der mir nach sieben Risikopunkten sagt, dass ich auf dem besten Weg bin, ein "kranker ackerbauernder Nomade" zu werden. Und das alles schon nach 30 Seiten. Tolle Wurst. Wann kommt endlich das mit Schlank im Schlaf?

Ah, da ist es ja: Auf Seite 36 steht etwas über "Abnehmen im Schlaf": "Der Winterschlaf des Bären lässt sich durchaus mit dem Nachtschlaf des Menschen vergleichen." Ein Satz, den meine Frau sofort unterschreiben würde. Endlich kommt das Buch mit vier Regeln rüber, wie man im Schlaf abnehmen kann:

1) Früh zu Abend essen. Ich frage meinen Chef, ob ich ab sofort um 16 Uhr heimgehen kann, um eher essen zu können. Er lehnt ab. 2) Abends eiweißreich und kohlenhydratefrei essen. Das schaffe ich. 3) Bewegung am Abend. Hey, ich wollte beim Schlafen abnehmen und nicht noch laufen oder Sport treiben! 4) Früh ins Bett. Wieder ein Satz, den meine Frau sofort unterschreibt.

Die nächsten 146 Seiten des Buches sind schnell erzählt: Es geht um die Bio-Uhr, den Glykämischen Index und den Insulin-Score. Dann gibt es das Thema "Abnehmen mit Genuss" - Es werden Rezepte für jeden Tag und jede Tageszeit aufgelistet und ein paar Dos und Don'ts aufgezählt. Etwa: Zeitung und Fernseher lenken vom Essen ab. Ganz klar: Die vier Autoren haben noch nie einer Frau zugeschaut, wie sie beim Fernsehen isst.

Dazu gibt es geeignete Sportübungen für den ackerbauenden Nomaden, die wichtigsten Ausdauersportarten und die Basics für das Home-Studio.

Es ist ein ganz normales Diät-Buch. Ganze zwei Seiten setzen sich mit dem Thema "Abnehmen im Schlaf" auseinander. Zwei Seiten.

Ich bin unterwältigt.

Und dabei beginnt das Buch mit einem meiner Lieblingssätze: "Essen macht schlank". Und dann eine derartige Enttäuschung.

Ganz ehrlich? Bevor ich mich an dieses Buch halte, bewerbe ich mich mit meiner Frau lieber bei der Schokoladen-Firma und hoffe, dass ich einen lebenslangen Vorrat Schokolade bekomme. Die Pfunde werde ich auf eine andere Art wieder los.

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